Das Zeugnis, das ihr gegeben habt, ist im Himmel aufgezeichnet
- manfred.lobstein
- 11. Juni
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(Bild Quelle)
“Doch seid ihr gesegnet, denn das Zeugnis, das ihr gegeben habt, ist im Himmel aufgezeichnet, sodass die Engel es betrachten können; und sie freuen sich über euch, und eure Sünden sind euch vergeben.” (Lehre und Bündnisse 62:3).
Historie zu Lehre und Bündnisse 62
Die Offenbarung, die heute als L&B 62 bekannt ist, wurde am 13. August 1831 durch den Propheten Joseph Smith in Chariton, Missouri empfangen. Dieses Datum liegt am Ende einer herausfordernden Reise für Joseph Smith und mehrere Älteste der Kirche, die zuvor von Kirtland, Ohio, nach Independence, Missouri, gereist waren, um dort die "Stadt Zions" zu finden und bestimmte Offenbarungen zu empfangen. Es war ein Auftrag mit spiritueller Bedeutung und voller logistischer Herausforderungen.
Die Reise von Missouri zurück nach Ohio führte zunächst entlang des Missouri River – einer Reise, die sich als gefährlich und aufreibend erwies. Die Gruppe entschied schließlich, den Fluss zu verlassen und über Land weiterzureisen. Als sie am 13. August Chariton erreichten, trafen sie dort zufällig auf eine andere Gruppe von Ältesten, die sich noch auf dem Hinweg nach Independence befand. Zu dieser zweiten Gruppe gehörten Hyrum Smith (Josephs Bruder), David Whitmer, John Murdock und Harvey Whitlock. Diese Begegnung war nicht geplant, erwies sich aber als äußerst freudig und erfüllte ein göttliches Versprechen.
Die zweite Gruppe hatte sich ebenfalls dem Missionsauftrag gewidmet und predigte das Evangelium erfolgreich auf ihrem Weg. Aufgrund gesundheitlicher Probleme von John Murdock hatte sich ihre Reise verzögert. Gerade durch diese Verzögerung – und die Schwierigkeiten der ersten Gruppe auf dem Fluss – kam es zu dieser unerwarteten und herzlichen Begegnung, die Joseph Smith in seiner Geschichte als ein Treffen von Brüdern beschreibt, „die tatsächlich für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben kämpfen“ (vgl. Joseph Smith—History, vol. A-1, S. 145).
Inmitten dieser freudigen Wiedervereinigung wandte sich Joseph Smith an den Herrn, um Offenbarung darüber zu erhalten, wie diese Brüder ihre Reise fortsetzen sollten. Die Antwort kam in Form der heutigen Offenbarung D&C 62.
Zentrale Inhalte der Offenbarung
In dieser Offenbarung lobt der Herr die Treue und das Zeugnis der reisenden Ältesten. Er versichert ihnen, dass jedes aufrichtige Zeugnis, das sie gegeben haben, vor dem Himmel und den Engeln aufgezeichnet worden ist (V. 3). Diese Aussage zeigt die große Wertschätzung, die der Herr dem persönlichen Zeugnis und dem Missionsdienst seiner Diener entgegenbringt.
Anschließend gibt der Herr den Brüdern Handlungsfreiheit hinsichtlich ihrer Reiseroute und ihrer Begleitung. Sie können alle gemeinsam reisen oder sich zu zweit aufteilen, auf welchem Transportmittel auch immer sie möchten – ob auf Pferden, Maultieren oder in Wagen. Wichtig ist, dass sie treu sind, weiterhin Zeugnis geben und den Heiligen helfen, sich zu versammeln (V. 6–7).
Diese Betonung zeigt ein Muster, das sich in den Offenbarungen dieser Zeit oft wiederfindet: Der Herr macht deutlich, was Ihm wichtig ist – und überlässt andere, weniger bedeutende Entscheidungen dem Urteil seiner Diener.
Die Bedeutung des freien Willens
In Vers 8 finden wir eine besonders bedeutsame Lehre: „Denn nachdem sie Rat von mir empfangen haben, so sollen sie, wenn sie es wünschen, weiterziehen, und so wie sie sich beraten, so soll es geschehen.“
Diese Aussage drückt ein Prinzip aus, das sich durch viele Offenbarungen zieht: Gott achtet den freien Willen seiner Kinder und traut ihnen zu, weise Entscheidungen zu treffen, insbesondere wenn sie zuvor von ihm Unterweisung empfangen haben. Dieses Gleichgewicht zwischen göttlicher Führung und eigenverantwortlichem Handeln ist ein zentrales Merkmal reifer geistiger Entscheidungsfindung.
Lehren für uns
1. Gott kennt unsere Anstrengungen und ehrt unsere Zeugnisse
Vers 3 vermittelt eine machtvolle Wahrheit: Nichts, was wir aufrichtig im Dienst Gottes tun, bleibt unbeachtet. Auch wenn unser Einsatz klein oder unscheinbar erscheint – der Himmel nimmt davon Notiz. Dies motiviert besonders jene, die als Missionare, Lehrer, Eltern oder Mitglieder täglich ihr Zeugnis leben, oft ohne sichtbaren Erfolg. Gott sieht, was wir tun, und es ist ihm wohlgefällig.
2. Manches ist dem Herrn wichtig – anderes überlässt er uns
Die Offenbarung macht klar: Es gab Dinge, die dem Herrn wichtig waren – wie Treue, Zeugnisgeben und die Sammlung Zions (V. 5–7). Andere Entscheidungen, etwa Reiseroute, Transportmittel oder Reisegruppe, waren nicht entscheidend und wurden den Ältesten selbst überlassen.
Dieses Prinzip ist auch heute relevant. Es gibt Entscheidungen, die eine moralische oder geistige Tragweite haben – etwa, ob wir die Gebote halten, die Versammlungen besuchen oder unseren Glauben bezeugen. Aber viele Alltagsentscheidungen – etwa, welchen Studiengang wir wählen oder wohin wir in den Urlaub fahren – können wir in Eigenverantwortung treffen, solange wir im Glauben leben und den Geist nicht betrüben.
Dieses Prinzip ist hilfreich, wenn wir das Gefühl haben, wir müssten für jede kleine Entscheidung eine Offenbarung empfangen. Der Herr erwartet von uns, dass wir unsere Urteilsfähigkeit entwickeln und Weisheit mit Offenbarung verbinden.
3. Wir sollen die Führung des Geistes mit eigenem Denken kombinieren
In Vers 8 spricht der Herr von einem Grundsatz, der heute genauso gilt wie damals: Göttliche Führung bedeutet nicht immer eine konkrete Anweisung. Manchmal gibt uns der Herr einen Rahmen, innerhalb dessen wir frei handeln dürfen. Wenn wir zuvor um Weisung gebeten haben, dürfen wir vertrauen, dass unsere Entscheidungen – wenn sie im Geist der Offenbarung und Rechtschaffenheit getroffen werden – vom Herrn getragen werden.
Dieser Grundsatz entspricht dem bekannten Prinzip aus L&B 9:8: Wir sollen nachdenken, einen Entschluss fassen und dann um Bestätigung durch den Geist bitten. In einer Zeit, in der viele junge Menschen Angst vor Fehlentscheidungen haben, ist diese Lehre besonders stärkend: Der Herr erwartet nicht Perfektion, sondern weises, gläubiges Handeln.
4. Geistige Begegnungen sind oft das Ergebnis von schwierigen Wegen
Die Begegnung zwischen Joseph Smith und den verspäteten Ältesten war nicht geplant – aber sie war prophetisch. Wäre Josephs Gruppe ohne Schwierigkeiten über den Missouri gereist, hätten sie die anderen Brüder nie getroffen. Doch durch die Umwege, Verzögerungen und Herausforderungen führte der Herr beide Gruppen zu einem geistigen Treffpunkt.
Auch in unserem Leben dürfen wir darauf vertrauen, dass Hindernisse nicht immer vom Feind kommen – manchmal sind sie Mittel in der Hand Gottes, um uns an den Ort zu führen, wo wir gebraucht werden oder etwas lernen sollen.
Schlussgedanke
L&B 62 ist eine kurze, aber tiefgründige Offenbarung. Sie zeigt einen liebevollen und wohlwollenden Gott, der sich über das Zeugnis seiner Kinder freut, unsere Treue anerkennt und uns Verantwortung für unsere Entscheidungen überträgt.
In einer Welt voller Wahlmöglichkeiten und Unsicherheiten dürfen wir daraus lernen:
Gott sieht unseren Einsatz und ehrt unser aufrichtiges Zeugnis.
Nicht jede Entscheidung muss durch Offenbarung getroffen werden – oft reicht unser weises, vom Geist begleitete Urteilsvermögen.
Gott achtet unsere Entscheidungsfreiheit – solange wir nach Wahrheit und Gerechtigkeit trachten.
Auch unerwartete oder schwierige Wege können zu göttlich vorbereiteten Begegnungen führen.
So wie die Ältesten damals, sind auch wir heute eingeladen, treu, aktiv und mutig voranzugehen – mit dem Wissen, dass der Herr unsere Schritte lenkt, wenn wir ihm unser Herz übergeben.
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