Ich bin das Licht der Welt
- manfred.lobstein

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(Bild: Quelle)
„Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ — Johannes 8:12
„Das Licht der Welt“
Der kürzeste Tag des Jahres, die längste Nacht – die Wintersonnenwende, der 22. Dezember. In alten Kulturen wurde dieser Tag als mystischer Wendepunkt verstanden: das Licht kehrt zurück, die Tage werden länger, das Leben erwacht neu. Inmitten der tiefsten Dunkelheit bricht das erste Zeichen der Hoffnung hervor. Diese natürliche Begebenheit ist mehr als nur ein astronomisches Ereignis – sie spiegelt in eindrucksvoller Weise das geistige Muster wider, das durch die gesamte Heilsgeschichte verläuft. Auch im Plan des ewigen Vaters gibt es eine Wende: von der Finsternis zur Helligkeit, von der Sterblichkeit zum Leben, von der Verlorenheit zur Erlösung. Dieses Licht ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, der von sich selbst sagte: „Ich bin das Licht der Welt.“
Wie die Sonne über der Erde aufgeht, so erleuchtet Christus die Seele des Menschen. Johannes bezeugt: „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht erfasst.“ (Johannes 1:4–5). Dieses Licht ist nicht einfach eine Metapher. Es ist eine geistige Wirklichkeit, die alles Leben durchdringt. Der Prophet Joseph Smith lehrte, dass „das Licht Christi das ist, was alles erleuchtet und alles Leben erhält“ (siehe LuB 88:6–13). Ohne dieses göttliche Licht gäbe es keine Erkenntnis, keine Freude, keine Hoffnung – und keine Auferstehung.
Wenn wir also die Rückkehr des Lichts feiern, dürfen wir uns fragen: Wie kehrt das Licht Christi in meinem Leben zurück? Wie kann ich bewusst zulassen, dass seine Gegenwart meine Dunkelheit vertreibt? Es gibt Zeiten, in denen die Seele wie eine Winterlandschaft wirkt – still, kalt, leer. Vielleicht tragen wir Sorgen, Schuld, Enttäuschung oder Trauer. In solchen Zeiten kann uns die Verheißung des Herrn erreichen: „Ich bin das Licht, das in der Finsternis scheint, und die Finsternis begreift es nicht.“ (LuB 6:21). Er sieht uns, auch wenn wir ihn kaum noch erkennen. Sein Licht brennt, auch wenn wir es nicht fühlen.
In der Schrift finden wir oft, dass Gott den Beginn von etwas Neuem mit Licht kennzeichnet. Als die Nephiten kurz vor der Geburt Christi in finsterster Nacht verharrten, erfüllte sich Samuels Prophezeiung: „Es wird eine Nacht sein, und es wird keine Dunkelheit geben, sodass es so erscheinen wird, als sei es Tag.“ (Helaman 14:4). Und als der auferstandene Herr ihnen später erschien, „sanken sie zu Boden; denn sie sahen, dass sein Antlitz leuchtete, und dass sein Kleid weiß war wie das Antlitz und die Kleidung eines Engels“ (paraphrasiert; 3 Nephi 19:25). Wo Christus ist, da ist Licht – Dieses Licht verändert Menschen, bis sie selbst beginnen zu leuchten – bis man in ihren Augen und in ihrem Wesen das Abbild Jesu erkennt (vgl. Alma 5:14).
Doch das Licht Christi ist nicht dazu da, bloß bewundert zu werden. Es will geteilt, gelebt und weitergetragen werden. Der Erlöser forderte: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Matthäus 5:16). Wer das Licht empfängt, hat auch die Verantwortung, es weiterzugeben. Das geschieht nicht durch große Taten, sondern oft durch stille, beständige Liebe – durch Geduld mit einem schwierigen Menschen, durch Aufrichtigkeit in kleinen Dingen, durch den Trost eines ehrlichen Wortes; denn der Herr hat verheißen: ‚Aus kleinen Dingen geht das Große hervor‘ (LuB 64:33).
Der Prophet Moroni mahnt: „Christus hat gesagt: Ihr sollt so sein, wie ich bin.“ (paraphrasiert; 3 Nephi 27:27). Diese Nachfolge bedeutet, sich täglich vom Licht Christi formen zu lassen. Der Apostel Paulus schreibt: „Jetzt seid ihr Licht im Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts.“ (paraphrasiert; Epheser 5:8). Das ist die Einladung, sich vom alten, dunklen Selbst zu trennen und ein neues Leben zu führen – voller Klarheit, Wahrheit und Sanftmut.
Die Wintersonnenwende erinnert uns: Das Licht siegt immer. So wie die Sonne nach der längsten Nacht unaufhaltsam wieder aufgeht, so überwindet Christus jede Dunkelheit – auch die, die sich tief in das Herz eines Menschen eingeschlichen hat. Seine Gnade ist wie das erste Morgenrot: unscheinbar, aber unwiderstehlich. Selbst in der tiefsten Nacht arbeitet das Licht still, bereitet den neuen Tag vor, wärmt die Erde unter der gefrorenen Oberfläche. Ebenso wirkt Christus in uns, selbst wenn wir es kaum wahrnehmen.
Wenn wir ihm nachfolgen, müssen wir nicht sofort vollkommen leuchten. Es genügt, dass wir uns täglich nach seinem Licht ausstrecken. Wie Nephi sah, als der Erlöser der Welt getauft wurde, öffneten sich die Himmel, und der Heilige Geist kam herab in Gestalt einer Taube (1 Nephi 11:27) – ein Sinnbild dafür, dass wahres Licht immer mit dem Geist Gottes einhergeht. Dieses göttliche Licht entzündet im Herzen des Gläubigen ein inneres Feuer des Glaubens, das mit jedem Schritt wächst, den wir im Vertrauen auf ihn tun.
An einem Tag wie der Wintersonnenwende könnten wir bewusst innehalten und fragen: Wo in meinem Leben brauche ich den Sonnenaufgang des Herrn? Vielleicht in einer Beziehung, die erkaltet ist; in einem Herzen, das sich müde fühlt; in einem Glauben, der sich verdunkelt hat. Wir dürfen ihm diese Dunkelheit bringen – nicht verstecken. Christus lehrt: „Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Matthäus 11:28). Er löscht das Dunkel nicht nur aus, sondern verwandelt es in Wärme und Leben.
Praktisch gesehen bedeutet das: Wenn ich spüre, dass Dunkelheit in mein Herz dringt – Ärger, Neid, Ungeduld, Angst –, dann kann ich beten: „Herr, erhelle mich mit deinem Licht.“ Ich kann in den Schriften nach seinen Worten suchen, die wie Sonnenstrahlen in die Seele fallen. Ich kann das Sakrament mit der Sehnsucht empfangen, durch sein Licht erneuert zu werden. Ich kann einem anderen Menschen dienen und dabei spüren, dass Licht vermehrt wird, wenn man es teilt.
Schließlich lehrt uns die Wintersonnenwende auch Geduld. Die Tage werden nicht plötzlich heller – das Licht nimmt langsam zu. So ist es auch im geistigen Wachstum. Das Licht Christi wächst in uns schrittweise, „Zeile um Zeile, Weisung um Weisung“ (LuB 98:12), bis wir eines Tages „die Fülle des Lichts empfangen“ (LuB 50:24). Jeder kleine Fortschritt, jedes ehrliche Gebet, jede stille Tat ist ein Schritt in Richtung des vollkommenen Tages.
So ist die Wintersonnenwende kein Tag der Finsternis, sondern der Hoffnung. Sie verkündet, dass Licht und Leben niemals besiegt werden. Wenn wir diesen Tag in Erinnerung an Jesus Christus begehen, können wir sagen: „Er ist mein Licht, meine Sonne, meine Hoffnung.“ Und dann können wir, wie die Sonne selbst, aufgehen über anderen, um sie zu wärmen und zu erhellen.
Denn der Herr hat verheißen: „Wenn wir uns heiligen und unser Herz auf Gott richten, wird er uns dereinst sein Angesicht zeigen – und wir werden von seinem Licht erfüllt sein” (vgl. LuB 88:68).
Mögen wir an diesem Wendepunkt des Jahres das Licht Christi neu empfangen, es in uns tragen und weitergeben – bis wir selbst Teil seines ewigen Morgens werden.



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