Priestertum für alle würdigen männlichen Mitglieder
- manfred.lobstein

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(Bild: Quelle)
„Demnach können alle würdigen männlichen Mitglieder der Kirche ohne Rücksicht auf Rasse oder Hautfarbe zum Priestertum ordiniert werden.“ (Spencer W. Kimball, 1978)
Amtliche Erklärung 2 – Alle sind gleichberechtigt, das Priestertum zu empfangen“
„Er hat unsere Gebete vernommen“ – Der Moment der Offenbarung
Die Ereignisse des 1. Juni 1978 markieren einen Wendepunkt in der Geschichte der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Nach Jahren des Nachsinnens, intensiven Gebets und demütigen Ringens empfing Präsident Spencer W. Kimball im Oberen Raum des Salt-Lake-Tempels eine Offenbarung, die den jahrzehntelangen Ausschluss von Männern schwarzer Abstammung vom Priestertum beendete. Die Worte der Amtlichen Erklärung 2 beginnen mit der Wahrheit, die das Fundament der Offenbarung bildet: „Alle sind vor Gott gleich, seien sie schwarz oder weiß, geknechtet oder frei, männlich oder weiblich“ (2 Nephi 26:33). Damit wurde bekräftigt, was das Buch Mormon von Anfang an gelehrt hatte: das Heil in Christus kennt keine ethnische, nationale oder soziale Grenze.
Diese Offenbarung kam nicht plötzlich oder isoliert. Präsident Kimball hatte bereits in den Jahren zuvor immer wieder öffentlich betont, dass er für alle Kinder Gottes betete. Er studierte die heiligen Schriften intensiv und suchte im Tempel um göttliche Einsicht. Sein Vorgehen erinnert an die biblische Szene, in der Petrus in Joppe durch Offenbarung lernt, „dass Gott die Person nicht ansieht, sondern dass in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt, ihm willkommen ist“ (Apostelgeschichte 10:34–35). Wie Petrus durch den Geist erkannte, dass Heiden ebenfalls in die Kirche aufgenommen werden sollten, so verstand Präsident Kimball durch dieselbe göttliche Quelle, dass der Zeitpunkt gekommen war, alle treuen Männer zum Priestertum zuzulassen.
Historischer und sozialer Kontext – das Warten auf den „langverheißenen Tag“
Die Offenbarung von 1978 ist nur verständlich im Licht der Geschichte. In den Anfangsjahren der Kirche wurden vereinzelt Männer schwarzer Hautfarbe ordiniert – darunter Elijah Abel, ein treues Mitglied der frühen Gemeinschaft. Doch bald entstand eine Praxis, die ihre Ordination ausschloss. Der Ursprung dieser Beschränkung ist in den Aufzeichnungen unklar, aber sie spiegelte auch die gesellschaftlichen Spannungen und rassistischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts wider.
Über Jahrzehnte suchten die Führer der Kirche, wie es in der Erklärung heißt, „im Gebet um Führung“, da sie wussten, dass nur Gott selbst diese Praxis ändern konnte. In dieser Hinsicht zeigt sich das Muster, das alle Offenbarungen kennzeichnet: „Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und alles, was er jetzt offenbart“ (Glaubensartikel 9). Die Kirche bewegt sich nicht durch gesellschaftlichen Druck, sondern durch göttliche Weisung. Zugleich zeigt die Geschichte, dass der Herr seine Werke nach einem ewigen Zeitplan offenbart – „Zeile um Zeile, Vorschrift um Vorschrift“ (LuB 98:12).
Als Präsident Kimball und seine Ratgeber wochenlang im Tempel beteten, geschah das, was die Schrift als himmlisches Muster beschreibt: die Offenbarung wurde „einstimmig gutgeheißen“ durch die Kollegien der Kirche. Damit wurde sie nicht nur persönliches Zeugnis eines Propheten, sondern das bestätigte Wort des Herrn an seine Kirche (vgl. LuB 1:38).
Das universale Heil in Christus
Die Offenbarung von 1978 bekräftigt die ewige Wahrheit, dass Jesus Christus das Heil für alle Menschen bereitet hat. Der Apostel Paulus schrieb an die Galater: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ (Galater 3:28). Diese Worte sind nicht bloß poetisch, sondern beschreiben die geistige Wirklichkeit des Reiches Gottes – eine Familie, in der alle dieselbe göttliche Herkunft, denselben Mittler und dasselbe Erbe teilen.
Das Priestertum, das durch Offenbarung allen würdigen Männern offensteht, ist Ausdruck dieser universalen Gnade. Es ist die Macht, im Namen Christi zu dienen, zu segnen und zu heilen. In der Sprache der heiligen Schriften bedeutet das: „Der Herr lädt alle ein, zu ihm zu kommen und seiner Güte teilhaftig zu werden“ (2 Nephi 26:33). Diese Einladung gilt ausnahmslos jedem, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft oder gesellschaftlicher Stellung.
Zugleich weist die Offenbarung über das Priestertum hinaus auf eine tiefere Wahrheit: Auch die Segnungen des Tempels, der ewigen Familie und der Siegelung werden allen gewährt, die gläubig und würdig sind. So erfüllt sich das Wort des Herrn, dass „die Schleier, die das Verständnis der Menschen verdunkeln, hinweggenommen werden“ (LuB 101:32–33). Das Licht Christi erreicht jedes Herz, das sich öffnet.
Die prophetische Vorbereitung Spencer W. Kimballs
Präsident Kimball war ein Mann des Gebets und des Mitgefühls. Schon als Apostel hatte er erklärt, dass er für den Tag bete, an dem „alle Menschen, gleich welcher Herkunft, die Segnungen des Priestertums empfangen“ können. Sein langes Ringen im Tempel erinnert an Jakobs Nacht am Jabbok, als dieser mit Gott rang, bis der Segen kam (vgl. Genesis 32:25–31).
In den Berichten seiner Mitarbeiter wird deutlich, dass die Offenbarung mit machtvoller geistiger Gegenwart begleitet war. Viele Zeugen beschrieben sie als „Pentekost-Erfahrung“, vergleichbar mit dem Pfingsttag in Apostelgeschichte 2. Der Geist Gottes fiel auf die Versammelten, und alle wussten, dass der Herr gesprochen hatte.
Diese Erfahrung zeigt, wie lebendig Offenbarung in der Kirche wirkt. Sie ist kein Überbleibsel früherer Zeiten, sondern das fortdauernde Prinzip, durch das Gott sein Werk führt. Präsident Kimball stand in der Linie der Propheten, die den Himmel suchten, um die Erde zu erleuchten.
Das Reich Gottes in einer geeinten Menschheit
Mit der Aufhebung aller Einschränkungen öffnete sich die Kirche für eine wahrhaft weltweite Zukunft. Heute stehen Träger des Priestertums und Führer der Kirche auf allen Kontinenten. Die Offenbarung von 1978 war damit nicht nur ein Akt der Gerechtigkeit, sondern ein entscheidender Schritt in der Vorbereitung auf das zweite Kommen Christi. Der 10. Glaubensartikel spricht von der „buchstäblichen Sammlung Israels“ und dem „Reich Christi auf Erden“. Diese Sammlung geschieht durch das Priestertum – die Macht, Menschen durch Bündnisse zu Christus zu führen.
In diesem Sinn ist die Offenbarung auch eine Erfüllung der prophetischen Worte: „Das Evangelium wird allen Nationen, Geschlechtern, Sprachen und Völkern gepredigt werden“ (Offenbarung 14:6). Das Werk des Herrn ist universal, und seine Kirche spiegelt diese Universalität wider.
Anwendung: Niemand soll ausgeschlossen bleiben
Die Worte der Amtlichen Erklärung 2 stellen auch heute eine bleibende Einladung dar. Jeder Jünger Christi ist aufgerufen, im eigenen Umfeld dafür zu sorgen, dass niemand von den Segnungen des Evangeliums ausgeschlossen wird – nicht durch Vorurteil, nicht durch Gleichgültigkeit, nicht durch soziale Schranken. Paulus lehrte: „Gott hat uns den Dienst der Versöhnung gegeben“ (2 Korinther 5:18). Dieser Dienst bedeutet, Brücken zu bauen, Herzen zu öffnen und Gemeinschaft zu schaffen.
LuB 121:41–46 beschreibt das Muster wahrer geistiger Führung: durch Liebe, Sanftmut, Güte und reinen Beweggrund. Wer im Geist Christi dient, sieht im anderen ein Kind Gottes, nicht eine Kategorie.
Schlussgedanke
Die Offenbarung von 1978 ist ein Zeugnis davon, dass der Himmel weiterhin spricht und dass die Kirche durch lebendige Offenbarung geführt wird. Sie bestätigt den Glaubensartikel 9 – „Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und alles, was er jetzt offenbart“ – in seiner machtvollsten Form.
Wenn wir heute die Worte der Ersten Präsidentschaft lesen – „Er hat unsere Gebete vernommen“ – dann erkennen wir, dass sich in ihnen der Charakter Gottes offenbart: Er hört, Er antwortet, Er segnet. In seinem Reich gibt es keinen Vorrang, keine Trennung, keine bevorzugte Linie. Alle, die Glauben ausüben und sich dem Bund anschließen, werden Teil seines Volkes.
So erfüllt sich die Verheißung: „Der Herr wird für alle Nationen ein Zeichen aufrichten“ (2 Nephi 21:12). Die Offenbarung von 1978 ist ein solches Zeichen – ein Symbol der Hoffnung, dass in Christus wahrhaft alle eins sind.



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