Groß und wunderbar sind die ... Geheimnisse seines Reiches
- manfred.lobstein
- vor 10 Stunden
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(Bild: Quelle)
“Aber groß und wunderbar sind die Werke des Herrn und die Geheimnisse seines Reiches, die er uns gezeigt hat, die an Herrlichkeit und an Kraft und an Herrschaft alles Verständnis übersteigen;” (Lehre und Bündnisse 76:114).
Zusammenfassung und heutige Anwendung von Lehre und Bündnisse 76:94-119
Die letzten Verse der Vision, die Joseph Smith und Sidney Rigdon im Februar 1832 empfingen, führen uns in die tiefsten Bereiche der göttlichen Ordnung und Herrlichkeit. Sie beginnen mit der Beschreibung jener, die im celestialen Reich wohnen – der „Kirche des Erstgeborenen“ (V. 94). Diese Auszeichnung steht für jene, die durch das Sühnopfer Christi von aller Schuld gereinigt wurden, in Bündnissen mit Gott stehen und seine Fülle empfangen haben. Sie sehen „wie sie gesehen werden“ und erkennen „wie sie erkannt werden“. Diese doppelte Formulierung verweist auf einen Zustand vollkommener Offenheit, Klarheit und Erkenntnis – das göttliche Gegenstück zur paulinischen Aussage, dass wir jetzt „durch einen Spiegel ein dunkles Bild“ sehen, dann aber „von Angesicht zu Angesicht“ (1. Korinther 13:12).
In Vers 95 heißt es: Christus macht diese Heiligen „gleich an Macht und an Kraft und an Herrschaft“. Das ist eine bemerkenswerte Zusage: Im celestialen Reich empfängt der Mensch nicht nur Trost oder Erlösung, sondern Teilhabe an der göttlichen Natur (2. Petrus 1:4). Dies wird theologisch als „Vergöttlichung“ oder „Erhöhung“ bezeichnet – ein Gedanke, der im wiederhergestellten Evangelium eine zentrale Rolle spielt.
Die Verse 96–98 entfalten in eindrücklichen Bildern die Ordnung der drei Reiche: Wie sich Sonne, Mond und Sterne an Helligkeit unterscheiden, so unterscheiden sich die celestiale, terrestriale und telestiale Herrlichkeit voneinander. Die Sonne (V. 96) steht für das höchste Reich, wo Gott selbst wohnt. Der Mond (V. 97) symbolisiert die mittlere Herrlichkeit, die zwar von Licht erfüllt ist, aber nicht in derselben Fülle. Und die Sterne (V. 98) – zahlreich und unterschiedlich in ihrer Helligkeit – stehen für die Vielzahl der telestialen Seelen, die in unterschiedlichen Abstufungen göttliche Herrlichkeit empfangen, aber nicht mit Christus leben werden.
Diese Reiche stehen nicht einfach für Bestrafung oder Belohnung, sondern offenbaren eine weise, abgestufte Ordnung des Himmels, in der jeder Mensch entsprechend seiner Annahme des Lichts und seiner Werke eingeordnet wird.
Ab Vers 99 schildert die Vision, wer in das telestiale Reich kommt. Es sind Menschen, die sich an geistliche Führer hielten – Paulus, Apollos, Kephas – oder sich auf Propheten wie Jesaja, Henoch oder Mose beriefen, aber das Evangelium und das Zeugnis Jesu selbst nicht annahmen. Das bedeutet: Sie ehrten vielleicht religiöse Gestalten, hielten jedoch Christus selbst auf Abstand (V. 99–101). Sie wollten sich nicht mit den Heiligen versammeln oder Teil der Kirche des Erstgeborenen sein (V. 102). Einige lebten sogar in bewusster Sünde: „Lügner, Zauberer, Ehebrecher und Unzüchtige“ (V. 103). Diese Formulierungen erinnern an Offenbarung 21:8 und zeigen, dass Handlungen und Lebensweise durchaus Konsequenzen für unsere ewige Stellung haben.
Doch selbst diesen wird nicht ewige Verdammnis zuteil, sondern ein Reich der Herrlichkeit – nach einer Zeit des Leidens. In den Versen 104–106 wird betont, dass jene, die in die telestiale Welt kommen, zunächst den „Grimm Gottes“ auf Erden und das „ewige Feuer“ erleiden. Sie gehen hinab in die „Hölle“, was hier wohl auf den geistigen Zustand nach dem Tod vor der Auferstehung bezogen ist. Aber diese Strafe ist nicht ewig im wörtlichen Sinne: Sie dauert „bis hin zu der Fülle der Zeiten“ – bis Christus alle Feinde unter seine Füße gebracht hat und sein Werk vollendet ist.
Vers 107 enthält ein machtvolles Christuszeugnis. Der auferstandene Herr übergibt dem Vater ein vollendetes Reich und bezeugt: „Ich habe überwunden und habe die Weinkelter allein getreten“ – eine Anspielung auf Jesaja 63:3 und Offenbarung 19:15, in denen Christus als Richter der Welt auftritt. Doch dieser Gerichtsvollzug hat ein Ziel: Wiederherstellung, Reinigung und letztlich Herrlichkeit für alle, die gereinigt werden können.
Vers 108 feiert Christus in seiner künftigen Rolle als ewiger König: Er wird mit der Krone der Herrlichkeit gekrönt und für immer regieren. Dieses Bild des erhöhten Christus ist sowohl tröstlich als auch ehrfurchtgebietend.
Die Verse 109–112 richten den Blick nochmals auf die telestiale Welt, deren Bewohner „unzählbar“ sind wie Sterne oder Sand. Und obwohl sie Christus nicht angenommen hatten, wird ihnen ein gewisses Maß an Herrlichkeit zuteil. Sie alle „werden das Knie beugen“ und Christus als Herrn bekennen (V. 110). Das ist eine eindrückliche Bestätigung von Philipper 2:10–11 – die universelle Anerkennung Jesu als Herr wird Wirklichkeit. Doch trotz dieser Anerkennung und der Herrlichkeit, die sie empfangen, bleiben sie „Diener des Allerhöchsten“ – und können „nicht dorthin kommen, wo Gott und Christus wohnen“ (V. 112). Ihre Trennung ist nicht bloß räumlich, sondern relational – sie haben sich selbst von jener innigen Gemeinschaft ausgeschlossen, die im celestialen Reich erfahrbar ist.
Vers 113 markiert das formale Ende der Vision. Die beiden Propheten bezeugen, dass ihnen geboten wurde, sie niederzuschreiben, während sie „noch im Geist“ waren. Doch unmittelbar danach (V. 114–116) erfolgt ein faszinierender Nachsatz: Es wurden ihnen noch größere Dinge gezeigt, „die an Herrlichkeit und an Kraft und an Herrschaft alles Verständnis übersteigen“, aber nicht aufgeschrieben werden durften. Der Grund: Diese Wahrheiten lassen sich nicht in menschliche Sprache fassen. Sie sind nur „mit der Macht des Heiligen Geistes“ erkennbar – und werden jenen offenbart, die „ihn lieben und sich vor ihm rein machen“. Damit öffnet sich eine spirituelle Einladung an alle Jünger Christi: Wer Gott wahrhaft liebt und sich bemüht, ein reines Herz zu entwickeln, dem kann – sogar im Fleisch – ein Blick in die Welt der Herrlichkeit gewährt werden (V. 117–118). Diese Vision will also nicht bloß informieren, sondern transformieren. Sie ruft dazu auf, Gott so zu folgen, dass seine Herrlichkeit bereits jetzt erfahrbar wird.
Die letzte Aussage (V. 119) ist ein hymnischer Lobpreis: „Und Gott und dem Lamm seien Herrlichkeit und Ehre und Herrschaft für immer und immer. Amen.“ Damit schließt diese umfassende Offenbarung mit einem Akt des Anbetung – und lädt auch uns ein, den Herrn der Herrlichkeit nicht nur zu bewundern, sondern ihm zu folgen.
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