Damit das Vorratshaus des Herrn nicht in Verruf gerate
- manfred.lobstein
- 22. Aug.
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Vorratshaus des Bischofs
(Bild: Quelle)
“damit er hierdurch imstande ist, alle Schulden zu begleichen; damit das Vorratshaus des Herrn vor den Augen des Volkes nicht in Verruf gerate.” (Lehre und Bündnisse 90:23).
Lehre und Bündnisse 90:1–37 – Einleitung: Der Aufbau des Reiches Gottes durch Ordnung und Offenbarung
Die Offenbarung in L&B 90 wurde am 8. März 1833 in Kirtland, Ohio, empfangen und ist ein weiterer Schritt im Prozess der göttlich geführten Organisation der Kirche Jesu Christi in den Letzten Tagen. Während Joseph Smith als Prophet und Offenbarer weiterhin Schlüssel der Erkenntnis empfängt, richtet sich der Blick dieser Offenbarung zunehmend auf kollektive Führung, weltweite Ausbreitung des Evangeliums und persönliche Vorbereitung auf die Herausforderungen des Reiches Gottes. Die Abschnitte dieser Offenbarung zeigen, wie Gott Ordnung schafft, Führungsaufgaben delegiert, das Schriftstudium bekräftigt und auf individuelle Bedürfnisse der Heiligen eingeht.
Verse 1–5: Die unumstößliche Verleihung der Schlüssel
„Die Schlüssel dieses Königreiches sollen euch niemals genommen werden“ (Vers 3) – diese machtvolle Zusicherung markiert einen Wendepunkt im Verhältnis Gottes zu Joseph Smith. Frühere Offenbarungen knüpften die Beibehaltung dieser Schlüssel noch an Gehorsam („wenn er in mir bleibt“; vgl. L&b 35:18; 43:3). Nun aber entfällt jede Bedingung – der Herr gibt Joseph die Garantie, dass er die Schlüssel des Reiches in dieser und in der zukünftigen Welt innehaben wird.
Diese Worte spiegeln ein tiefes Vertrauen wider. Der Herr hatte Joseph geprüft, belehrt und mit schrittweisem Zugang zur göttlichen Ordnung betraut. Nun wird seine Rolle als Präsident der ersten Präsidentschaft fest und dauerhaft definiert. Auch in L&B 132:49 bekräftigt der Herr diese Erwählung, indem er Joseph die Erhöhung zusichert – Ausdruck höchster himmlischer Billigung.
Für uns heute bedeutet das: Die Autorität des lebenden Propheten ist von Gott selbst eingesetzt und nicht von menschlicher Zustimmung oder Perfektion abhängig. Sie ist das Rückgrat geistiger Ordnung im Reich Gottes. In einer Welt konkurrierender religiöser Stimmen bezeugt diese Offenbarung, dass es heute einen gültigen Kanal für Offenbarung und Leitung gibt – durch die lebenden Propheten.
Verse 6–11: Die Erste Präsidentschaft und das weltweite Evangelium
Der Herr bestätigt, dass Joseph Smith nun mit Sidney Rigdon und Frederick G. Williams eine Erste Präsidentschaft bildet (Vers 6). Diese Männer „werden als gleich geachtet“ (Vers 6), was ihre Autorität in Abwesenheit des Präsidenten betrifft. Doch Griffiths macht deutlich: Anders als Joseph erhalten sie keine Verheißung, die Schlüssel in der künftigen Welt zu tragen. Die Schlüsselverantwortung ist bei Joseph zentralisiert – wie er selbst 1835 lehrte: „Wo ich nicht bin, da ist keine Erste Präsidentschaft.“ Diese Formulierung belegt, dass die Führerschaft klar orientiert war: die Erste Präsidentschaft existierte nur in Verbindung mit dem Präsidenten selbst. Ohne ihn lag die Leitung in den Händen des Quorums der Zwölf, wie auch in späteren Übergangszeiten praktiziert.
Gleichzeitig richtet sich der Blick auf die Zukunft: „Dann kommt der Tag, da sich der Arm des Herrn in seiner Macht offenbaren wird …“ (Vers 10). Jeder Mensch soll „die Fülle des Evangeliums in seiner eigenen Zunge und in seiner eigenen Sprache“ vernehmen – durch das Wirken des Trösters, der Jesus Christus offenbart (Vers 11). Hier klingt das Pfingstwunder (Apg 2:4–11) nach – der Heilige Geist überwindet kulturelle Barrieren.
Auch Nephi hatte in 1 Nephi 14:12 ein weltumspannendes Werk der Heiligen gesehen, und Johannes sah in Offenbarung 5:9–10 ein Priesterkönigtum „aus jedem Volk, jeder Sprache und Nation“.
Für heute heißt das: Missionarisches Wirken muss global, sprachsensibel und kulturfreundlich sein. Jede Gabe – sei es Sprachbegabung, soziale Medien oder Musik – kann zur Verkündung beitragen.
Verse 12–18: Studium, Weisheit und Übersetzungsauftrag
Der Herr fordert Joseph auf, seine Übersetzungsarbeit der Bibel („Übersetzung der Propheten“, Vers 13) zu vollenden. Dies bezieht sich auf das Studium der alttestamentlichen Prophetenbücher, möglicherweise auch inklusive der Apokryphen, über die Joseph am nächsten Tag eine Offenbarung erhält. Zudem wird Joseph aufgefordert, „mit allen guten Büchern“ vertraut zu sein, „mit Sprachen, Völkern und Menschen“ (Vers 15).
Diese Verse zeigen: Propheten und geistige Führer sind nicht nur Empfänger von Offenbarung, sondern auch Sucher nach Wissen. Joseph Smith selbst lernte später Hebräisch, Griechisch, Deutsch und Ägyptisch – nicht als Selbstzweck, sondern um die Dinge Gottes tiefer zu erfassen. Wie er in den Proklamationen und Ratschlägen des Rates der Fünfzig äußerte: Wer das Evangelium weltweit verkünden will, soll sich mit Geographie, Sprachen und Regierungssystemen auskennen (siehe auch Lehre und Bündnisse 88:78-80).
Daraus ergibt sich eine klare heutige Handlungsempfehlung: Studium ist ein Akt der Gottesverehrung. Wer die Schriften kennt, wer sich in anderen Kulturen auskennt, wer lernt, der kann besser dienen. Diese Aufforderung richtet sich nicht nur an Führer, sondern an alle Jünger Jesu.
Verse 19–24: Fürsorge für Führungsfamilien und geistliche Weisungen für die Kirche
Im Vers 19 fordert der Herr, für die Familie von Frederick G. Williams, dem Ratgeber und Schreiber, so bald wie möglich einen angemessenen Platz zu sichern. Dies unterstreicht die Bedeutung, dass die Familien der kirchlichen Führung gut versorgt sind, denn ihr Wohl trägt zur Stabilität und zum Erfolg des Werkes Gottes bei.
Die Verse 20 und 21 enthalten klare Anweisungen für die Bewahrung von festen Wohnsitzen der bedeutenden Kirchenführer Joseph Smith Sr. und Sidney Rigdon. Beide sollen an ihren bisherigen Orten verbleiben, bis Gott eine andere Weisung gibt. Diese Anordnung zeigt die Wichtigkeit von Geduld und Vertrauen in den göttlichen Zeitplan.
Vers 22 und 23 fordern den Bischof auf, einen wohlhabenden, gläubigen Beauftragten zu suchen, der befähigt ist, die Schulden der Kirche zu begleichen und das Vorratshaus des Herrn vor öffentlichem Schaden zu bewahren. Diese finanzielle Verantwortung soll dazu dienen, das Vertrauen und den guten Ruf der Kirche zu sichern.
Abschließend ruft Vers 24 dazu auf, mit Ernsthaftigkeit und Glauben zu forschen, zu beten und untadelig zu wandeln, damit alle Dinge zum Guten zusammenwirken können. Diese Ermahnung erinnert daran, dass Erfolg im Werk des Herrn eng mit Treue und Gehorsam verbunden ist.
Verse 25–37: Individuelle Ratschläge – besonders für Vienna Jaques
Im Schlussteil spricht der Herr gezielt Personen an – darunter Vienna Jaques, eine vorbildliche Heilige, die ihr Vermögen der Kirche weihte und auf Befehl Gottes nach Missouri zog (Vers 28). Ihre spätere Lebensgeschichte zeugt von tiefem Glauben: Sie wurde in Zion von Mobbern beraubt, diente bei Zion’s Camp, half bei Krankheiten, fuhr mit 60 Jahren allein über die Prärie und wurde 96 Jahre alt – beständig, loyal und aufopfernd.
Joseph Smith schrieb ihr 1833 einen Brief, in dem er ihren Beitrag als „Rettung seines Lebens“ bezeichnete – nicht geistlich, sondern finanziell. Dieser Brief ist das früheste bekannte Schreiben Josephs an eine Frau außerhalb seiner Familie – ein Zeichen für die hohe Wertschätzung ihrer Treue.
Für uns heute ist Vienna Jaques ein Vorbild im stillen, aber entschlossenen Dienst. Der Herr verlangt oft Opfer von uns – Zeit, Geld, Energie. Doch wie bei Vienna wirken sie über Generationen hinweg.
Fazit: Schlüssel, Ordnung, Mission und persönlicher Dienst
L&B 90 zeigt in eindrücklicher Weise, wie der Herr mit seinem Volk handelt: durch feste Schlüsselautorität, durch strukturelle Ordnung, durch weltumspannende Sendung, durch geistige Bildung – und durch individuelles Rufen und Stärken.
Für uns heute ergeben sich fünf zentrale Handlungsaufrufe:
Erkenne die prophetische Leitung an – sie ist göttlich und fortdauernd.
Setze deine Gaben für das globale Evangelium ein, in Sprache, Kultur oder Technik.
Lerne und lehre – geistlich wie säkular – als Vorbereitung für höheren Dienst.
Prüfe dein Herz und diene mit Demut, statt mit Stolz oder Eitelkeit.
Sei wie Vienna Jaques – bereit zu opfern und treu bis ans Lebensende.
So wird auch unser Leben Teil jenes göttlichen Werkes, das in Kirtland organisiert wurde – aber erst in Zion, im Herzen und unter allen Nationen, zur Vollendung kommt.
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