Damit ihr die Kinder des Lichts seiet
- manfred.lobstein
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(Bild: Quelle)
“darum gürtet euch die Lenden, damit ihr die Kinder des Lichts seiet und jener Tag nicht über euch komme wie ein Dieb.” (Lehre und Bündnisse 106:5).
Lehre & Bündnisse 106 – Geschichtlicher Hintergrund und Lehren für uns heute
Historischer Hintergrund
Am 25. November 1834 empfing Joseph Smith in Kirtland, Ohio, eine Offenbarung für Warren A. Cowdery, den älteren Bruder von Oliver Cowdery. Diese Offenbarung ist heute als L&B 106 bekannt und richtet sich zugleich an die kleine Gemeinde in Freedom, New York, wo Warren lebte.
Warren A. Cowdery wurde vermutlich 1788 in Vermont geboren und war ein Mann mit Einfluss und Bildung: Er war Landwirt, Arzt, Postmeister und Herausgeber einer Zeitung. Als sein Bruder Oliver ihm erste Druckfahnen des Buches Mormon zeigte, öffnete er sich für den Glauben und ließ sich Ende 1831 taufen. In den folgenden Jahren war er eine der tragenden Figuren der kleinen Gemeinde in Freedom.
Joseph Smith selbst besuchte Freedom im Herbst 1834 während seiner Reisen zur Unterstützung des Zion’s Camp. Er wohnte bei Warren und berichtete später, dort den „vollen Genuss aller zeitlichen und geistigen Segnungen“ erfahren zu haben (History of the Church, 2:174). Offenbar beeindruckt von Warrens Hingabe und dem Wunsch, nützlich zu sein im Werk des Herrn, übermittelte Joseph die Offenbarung, die ihn offiziell als präsidierenden Hohen Priester im Land Freedom einsetzte.
Die Offenbarung ist zugleich persönlich und kirchlich bedeutsam: Sie spricht einerseits Warren Mut zu und verheißt ihm geistliche Unterstützung, andererseits definiert sie die Pflicht, wachsam zu sein und das Evangelium zu verbreiten.
Schon ein Jahr später, im Herbst 1835, zog Warren nach Kirtland, wo er in der Druckerei der Kirche arbeitete, die Kirchenzeitschrift Messenger and Advocate mit herausgab und auch als Schreiber Joseph Smiths diente. Er gehörte zeitweise dem Hohen Rat von Kirtland an und spielte eine Rolle bei der Vorbereitung der Tempelweihe.
Doch Warren war auch ein Mensch mit Fehlern. 1835 verfasste er einen kritischen Brief, in dem er die Zwölf Apostel wegen mangelnder Unterstützung des Tempelbaus tadelte. Dies führte zu Spannungen. Schließlich bekannte er vor dem Hohen Rat öffentlich seinen Irrtum und ließ eine Entschuldigung im Messenger and Advocate abdrucken. Damit konnte die Einheit kurzfristig wiederhergestellt werden.
In den Jahren danach allerdings verlor Warren den Anschluss an die Kirche. Im Zusammenhang mit den Spannungen in Kirtland – finanziellen Krisen, inneren Konflikten, dem Zusammenbruch der Kirtland Safety Society – distanzierte er sich zunehmend. Spätestens 1838 war er nicht mehr aktiv Teil der Kirche. Bis zu seinem Tod im Jahr 1851 blieb er von den Hauptströmungen des wiederhergestellten Evangeliums getrennt.
Damit steht Warren A. Cowdery exemplarisch für eine ganze Reihe von frühen Führungsmitgliedern, die große Berufungen erhielten und wichtige Beiträge leisteten, aber später durch Umstände, eigene Fehler oder äußere Konflikte den Weg der Kirche nicht mehr mitgingen. L&B 106 dokumentiert zugleich die Würde der Berufung und die Mahnung zur Demut, die jedem Diener Gottes gilt.
Vers-für-Vers-Kommentar zu L&B 106
Verse 1–3 „Es ist mein Wille, dass mein Diener Warren A. Cowdery …“ – Der Herr beauftragt Warren direkt, Führungsverantwortung zu übernehmen. Damit tritt er in eine Linie von Berufungen, die wir auch in anderen Schriften sehen. Jesus ruft Simon Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes aus ihrem Fischerberuf in den geistlichen Dienst (Matthäus 4:18–22; Markus 1:16–20; Lukas 5:1–11). Ebenso wird der Zöllner Matthäus in Matthäus 9:9–13 berufen – ein Mann mit gesellschaftlichem Stand, ähnlich wie Warren, der Arzt und Herausgeber war. Auch im Alten Testament sehen wir bei Jona die eindringliche Berufung zum Dienst („Geh nach Ninive!“). Diese Muster zeigen: Gott ruft Menschen mitten aus ihrem Alltag, unabhängig von ihrem Beruf, in seinen Dienst. Die Betonung auf „eifrig nach dem Himmelreich und dessen Rechtschaffenheit trachten,“ mit ganzem Herzen, erinnert direkt an Matthäus 6:33.
Verse 4–5 Hier verwendet der Herr das Bild seines Kommens „wie ein Dieb in der Nacht“ – ein Motiv, das sich bereits im Neuen Testament findet (1. Thessalonicher 5:2; Matthäus 24:43–44). Der Unterschied: Wer „Kinder des Lichts“ ist, wird nicht überrascht, sondern bleibt wachsam. Es geht also weniger um Furcht, sondern um geistige Bereitschaft. Paulus lehrt ebenfalls: „Wir sind nicht der Nacht noch der Finsternis“ (1. Thessalonicher 5:5).
Vers 6 „Freude war im Himmel, als mein Diener Warren sich meinem Zepter gebeugt …“ – Ein Bild, das an Lukas 15 erinnert: „Freude wird im Himmel sein über einen Sünder, der umkehrt“(Lukas15:7). Diese Parallele zeigt, wie sehr Gott die Bereitschaft zur Umkehr und Demut ehrt.
Vers7 „… ungeachtet der Eingebildetheit seines Herzens werde ich ihn emporheben, insofern er sich demütigt.“ – Dieser Vers spricht offen menschliche Schwächen an, kombiniert sie aber mit der Verheißung göttlicher Erhöhung. Er erinnert an Jakob, der nach einem Ringen mit Gott von Hochmut zu Demut geführt wurde und so den neuen Namen „Israel“ erhielt.
Vers 8 Der Herr verheißt Warren „Gnade und Zuversicht“ und schließlich eine „Krone“ in den Wohnungen des Vaters. Diese Sprache ist vertraut aus den Sendschreiben in Offenbarung 2–3, wo von der „Krone des Lebens“ die Rede ist. Auch L&B 76 beschreibt ähnliche Verheißungen. Sie deuten auf eine himmlische Perspektive: Wer treu bleibt, wird nicht nur gestärkt, sondern mit ewiger Herrlichkeit gekrönt.
Anwendung für unser Leben heute
Bereitschaft zur Berufung: Gott ruft uns alle – manchmal in unerwarteten Momenten. Wie Warren sollen wir bereit sein, unser Herz voll einzusetzen.
Wachsamkeit im Alltag: Der Aufruf, Kinder des Lichts zu sein, fordert uns auf, geistig wach zu leben: im Gebet, in den Schriften, im Dienst.
Demut statt Stolz: Auch wer gebildet und talentiert ist, bleibt angewiesen auf Demut. Der Herr erhebt uns nicht trotz, sondern wegen unserer Demut.
Himmlische Freude über Umkehr: Jede kleine Umkehr, jeder Schritt zurück zu Gott bringt Freude im Himmel – das motiviert uns, nicht aufzugeben.
Verheißene Stärke und Krone: Der Herr gibt Zuversicht, selbst in schwierigen Zeiten. Wer treu bleibt, wird eine ewige Belohnung empfangen.
Fazit
Lehre und Bündnisse 106 ist eine kurze, aber dichte Offenbarung. Sie verknüpft die Geschichte einer konkreten Person – Warren A. Cowdery – mit universellen geistlichen Wahrheiten: Berufung, Wachsamkeit, Demut und göttliche Belohnung. In der Geschichte Warrens erkennen wir sowohl Möglichkeiten als auch Gefahren: große Chancen, im Werk des Herrn mitzuwirken, aber auch die Notwendigkeit, dauerhaft treu zu bleiben.
Für uns heute bedeutet diese Offenbarung eine Einladung, Kinder des Lichts zu sein – wachsam, demütig, bereit für Gottes Ruf und zuversichtlich in der Verheißung einer ewigen Krone.
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