Dass ihr das begehren müsstet, was nur ein Tropfen ist
- manfred.lobstein
- vor 7 Stunden
- 4 Min. Lesezeit

William Marks
(Bild: Quelle)
“Gibt es denn nicht Raum genug auf den Bergen von Adam-ondi-Ahman und auf der Ebene von Olaha Schineha, oder dem Land, wo Adam wohnte, dass ihr das begehren müsstet, was nur ein Tropfen ist, und dabei das Wichtigere vernachlässigt?” (Lehre und Bündnisse 117:8).
Olaha Schineha lies hier.
Lehre und Bündnisse 117 – Historischer Kontext und geistliche Lehren
Einleitung: Historischer Hintergrund
Die Offenbarung in L&B 117 wurde am 8. Juli 1838 in Far West, Missouri, neben Adam-ondi-Ahman dem neuen Zentrum der Kirche, gegeben. Die Adressaten waren William Marks, Newel K. Whitney und Oliver Granger, die noch in Kirtland, Ohio, verblieben waren. In Kirtland hatten die Heiligen viel investiert – ihr Herz, ihre Opfer, ihre Arbeitskraft und ihre materiellen Mittel, besonders beim Bau des Tempels. Doch die Stadt war mittlerweile durch wirtschaftliche Krisen, innere Spannungen und äußeren Druck zu einem schwierigen Ort geworden. Die Kirche hatte ihren Schwerpunkt bereits nach Missouri verlegt, und die Anweisung des Herrn war klar: Zion sollte nun im Westen aufgebaut werden.
In dieser Situation zögerten Marks, Whitney und Granger, Kirtland zu verlassen, auch weil sie dort Besitz, Verantwortung und offene finanzielle Fragen hatten. Der Herr begegnete diesem Zögern mit einer Offenbarung, die zeitlos gültige Lehren über Prioritäten, Treue und das Verhältnis von Irdischem und Ewigem enthält.
Verse 1–4: Eile statt Zögern
Der Herr beginnt mit einer unmissverständlichen Aufforderung an Wlliam Marks und Newel K. Whitney ihre Geschäfte abzuschließen und noch vor dem ersten Schnee Kirtland zu verlassen.
Die Zeit drängte. Der Winter sollte nicht abgewartet werden – das Werk des Herrn hatte Vorrang. Dann folgt in den Versen 2-3 die ernste Mahnung nicht zu verweilen!
Das Zögern, der Blick zurück, war gefährlich. Dieses Bild erinnert an Lots Frau (Genesis 19:26), die im Rückblick an das Alte erstarrte. Auch Jesus sagte: „Niemand, der seine Hand an den Pflug legt und zurückblickt, ist tauglich für das Reich Gottes“ (Lukas 9:62). Die Heiligen in Kirtland mussten lernen, den Ruf nach vorne ernst zu nehmen – ein Prinzip, das uns heute ebenfalls betrifft.
Der Herr verweist in Vers 4 auch auf eine innere Umkehr. Hier wird deutlich: Das Problem war nicht nur organisatorischer Natur, sondern eine Frage der Herzenshaltung. Besitz und materielle Bindungen durften nicht das Fundament ihres Handelns sein.
Verse 5–8: Der Herr sorgt für das Nötige
Anschließend weist der Herr in Vers 5 an, die Besitztümer in Kirtland zurückzulassen, und Schulden so gut es geht zu begleichen.
Die praktischen Sorgen um Schulden und Verpflichtungen sollten geregelt werden – aber ohne übermäßige Anhaftung. Der Herr erinnert in Vers 6 daran, dass ihm die ganze Schöpfung gehört.
Die Frage ist rhetorisch: Wenn Gott über alles gebietet, kann er dann nicht auch für seine Heiligen sorgen?
Darauf folgt in Vers 7 eine geistliche Perspektive, dass der Herr dürres Land im Überfluss zum Knospen und zum Blühen bringen wird.
Diese Zusage knüpft an biblische Verheißungen an, etwa an Jesaja 35:1: „Die Wüste und das dürre Land werden frohlocken, die Steppe wird jubeln und blühen wie die Lilien.“ Der Herr kann Mangel in Überfluss verwandeln.
Schließlich wird in Vers 8 die Relativität des Materiellen betont; sich nicht mit dem “Tropfen” zu begnügen, wenn der Herr viel Größeres bereit hält.
Hier zeigt sich ein tiefer Grundsatz: Wer an den „Tropfen“ festhält, verliert leicht das „Wichtige“.
Verse 9–11: Neue Berufungen und geistliche Aufgaben
Die Offenbarung lenkt nun in Vers 9 mit der Aufforderung nach “Zion” zu kommen, den Blick nach vorne, wobei der Herr William Marks in Vers 10 eine große Verheißung zuteilwerden lässt. Wenn er in Kleinem Treu ist, soll er Herrscher über vieles werden, nämlich über Far West präsidieren.
Die bekannte Formulierung „über wenigem treu … über vieles gesetzt“ erinnert direkt an Jesu Gleichnis von den anvertrauten Talenten (Matthäus 25:21). Der Herr belohnt nicht zuerst Größe oder Erfolg, sondern Treue in dem, was er uns aufträgt.
Auch Newel K. Whitney erhält in Vers 11 eine klare Zuweisung. Er soll sich der Bande der “Nikolaiten” schämen und in das Land Adam-ondi-Ahman heraufkommen, um dort mit vollem Einsatz als Bischof zu dienen. Er sollte nicht nur „Bischof“ als Titel tragen, sondern im echten Sinn dienen – durch Demut, Aufrichtigkeit und Opferbereitschaft.
Verse 12–15: Ein ehrendes Andenken für Oliver Granger
Die Worte in Vers 12 über Oliver Granger, dass sein Name für immer in heiligem Andenken gehalten werden soll, gehören zu den ergreifendsten der Offenbarung.
Oliver Granger sollte als Treuhänder in Kirtland zurückbleiben, um die finanziellen Angelegenheiten der Kirche zu ordnen. Menschlich gesehen waren seine Erfolge begrenzt, doch der Herr erklärte: „Wenn er fällt, so wird er sich wieder erheben, denn sein Opfer wird mir heiliger sein als sein Zuwachs, spricht der Herr.“ (V. 13)
Das ist eine tief tröstliche Lehre: Gott bewertet Opfer höher als äußerlichen Erfolg. Treue und Hingabe zählen mehr als messbare Ergebnisse.
Die Zusage an Oliver Granger hat sich dadurch erfüllt, dass sein Name in den heiligen Schriften der Kirche verewigt wurde und bis heute als Beispiel für stille Treue und Opferbereitschaft in Erinnerung bleibt.
Die Verheißung schließt mit der Mahnung:
„Darum lasst niemanden meinen Diener Oliver Granger verachten, sondern lasst die Segnungen meines Volkes auf ihm sein für immer und immer.“ (V. 15)
Vers 16: Heiligkeit des Tempels
Obwohl die Kirche Kirtland verließ, blieb der dort erbaute Tempel heilig. Er sollte nicht vernachlässigt oder profaniert werden. Die Worte „die Geldwechsler umstoßen“ verweisen deutlich auf Jesu Tempelreinigung (Johannes 2:13–16; Matthäus 21:12–13). Der Herr betont: Sein Haus bleibt heilig, auch wenn die Gemeinde weiterzieht.
Heutige Relevanz
Diese Offenbarung ruft uns heute auf, unsere Prioritäten zu prüfen. Halten wir an „Tropfen“ fest, während der Herr uns zu Größerem ruft? Sind wir bereit, Sicherheiten aufzugeben, wenn er uns zu neuen Aufgaben führt?
Wir lernen auch: Opfer wiegen in Gottes Augen mehr als Erfolg. So wie Oliver Granger geehrt wird, obwohl seine Aufgaben nicht „erfolgreich“ abgeschlossen wurden, so sieht der Herr auch unsere Mühen und unser Herz.
Und schließlich erinnert uns Vers 16 daran, dass das Heilige – Tempel, Bund, heilige Orte – stets mit Ehrfurcht behandelt werden muss, auch wenn sich äußere Umstände ändern.
Abschlussfrage
Welche „Besitztümer“ oder „Tropfen“ in meinem Leben hindern mich daran, das „Wichtigere“ (V. 8) zu suchen, und wie kann ich – wie William Marks, Newel K. Whitney und Oliver Granger – lernen, über das Materielle hinaus nach den “wichtigen” Dingen Gottes zu trachten?
Kommentare