Ein Wort der Weisheit
- manfred.lobstein
- 18. Aug.
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(Bild: Quelle)
“Ein Wort der Weisheit zum Nutzen des Rates der Hohen Priester, die in Kirtland versammelt sind, und der Kirche und auch der Heiligen in Zion” (Lehere und Bündnisse 89:1).
Lehre und Bündnisse 89 – Das Gesundheitsgesetz: Historischer Hintergrund und geistliche Bedeutung
Die Offenbarung, die heute als Abschnitt 89 des Buches Lehre und Bündnisse bekannt ist, wurde dem Propheten Joseph Smith am 27. Februar 1833 in Kirtland, Ohio, gegeben. Sie ist als das „Wort der Weisheit“ bekannt und bildet den Grundstein für das Gesundheitsgesetz der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Obwohl dieses Gesetz heute für alle getauften Mitglieder verbindlich ist, wurde es ursprünglich „nicht durch Gebot oder Zwang“ gegeben, sondern „durch Offenbarung und das Wort der Weisheit, gezeigt in Verbindung mit dem Ordnungsprinzip“ (Vers 2). Die Entwicklung der Auslegung und Anwendung dieses Grundsatzes spiegelt eine bemerkenswerte Wechselwirkung zwischen göttlicher Führung, prophetischer Weisung und dem allmählichen Reifungsprozess einer jungen Kirche wider.
Ursprung und Umfeld der Offenbarung
Die frühen 1830er Jahre waren eine Zeit intensiven geistlichen und gemeinschaftlichen Aufbaus in Kirtland. Die Mitglieder der Kirche versammelten sich oft in kleinen Räumen – insbesondere in der sogenannten „Schule der Propheten“, einer Art theologischen Diskussionsgruppe im Haus von Newel K. Whitney. Diese Sitzungen waren begleitet von Gebet, Studium und geistigen Gaben. Viele Teilnehmer rauchten oder kauten Tabak, tranken Kaffee oder Tee. Dabei herrschten schlechte hygienische Zustände – Berichte sprechen davon, dass der Boden des Raumes mit Tabaksaft verschmutzt war und der Geruch von Rauch in der Luft hing.
Emma Smith, die Frau des Propheten, war mit der Reinigung dieser Räume beauftragt und äußerte sich über den Zustand der Umgebung. Ihre Bedenken könnten Joseph Smith dazu bewegt haben, ernsthaft im Gebet über diese Dinge nachzudenken. Daraufhin empfing er die Offenbarung, die als „Wort der Weisheit“ bekannt wurde.
Die Offenbarung steht jedoch nicht allein im Kontext von Emmas Sorge. Historiker wie Steven C. Harper und Quellen von Doctrine and Covenants Central weisen darauf hin, dass das frühe 19. Jahrhundert eine Zeit der intensiven Reformbewegungen war – darunter auch die sogenannte „Temperenzbewegung“, die den übermäßigen Konsum von Alkohol anprangerte. Joseph Smith kannte viele dieser Bewegungen, nahm jedoch mit dem „Wort der Weisheit“ eine deutlich göttlichere Perspektive ein, indem er nicht einfach auf gesellschaftliche Trends reagierte, sondern eine weisheitsbasierte göttliche Ordnung offenbarte, die weit über zeitgenössische Reformen hinausging.
Inhalt und Aufbau der Offenbarung
Die Offenbarung ist in verschiedene Abschnitte gegliedert:
Einleitung und Zweck (Verse 1–3): Hier wird die Offenbarung als „nicht durch Gebot oder Zwang“ gegeben beschrieben. Sie dient dazu, „die Ordnung und den Willen Gottes im zeitlichen Heil des Menschen“ zu offenbaren.
Warnung vor schädlichen Substanzen (Verse 4–9): Der Herr warnt vor „listigen und arglistigen Entwürfen böser und gerissener Menschen in den letzten Tagen“ (Vers 4) und nennt speziell „starken Trank“ (also Alkohol) als etwas, das „nicht gut“ sei. Ferner werden Tabak sowie „heißer Trank“ (gemeint sind Kaffee und Tee) untersagt.
Empfohlene Speisen (Verse 10–17): Diese Verse betonen den Wert von pflanzlicher Nahrung – „Kräuter“ und „Früchte“ – sowie von Fleisch, das „mit Danksagung gegessen“ werden soll, jedoch eher „sparsam“ und vorzugsweise „zur Zeit des Winters oder der Kälte oder Hungers“. Getreide, insbesondere Weizen, wird als besonders geeignet gepriesen.
Verheißungen (Verse 18–21): Denjenigen, die dieses Gesetz befolgen, werden Gesundheit, körperliche Kraft, geistige Klarheit und Schutz vor feindlichen Kräften versprochen – sie „werden laufen und nicht müde werden und wandeln und nicht matt werden“ (Vers 20).
Die schrittweise Umsetzung in der Kirchengeschichte
Ursprünglich war das Wort der Weisheit kein verbindliches Gebot. Viele Heilige, auch Führer der Kirche, hielten sich nicht streng daran – so tranken etwa Brigham Young und andere gelegentlich noch Kaffee oder Wein. Brigham Young sprach 1867 über die Notwendigkeit, das Wort der Weisheit ernst zu nehmen, und forderte die Heiligen auf, sich ihm zu verpflichten, jedoch mit Geduld und Verständnis.
Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Wort der Weisheit schrittweise zu einem verbindlichen Standard der Kirchenmitgliedschaft. Präsident Heber J. Grant machte während seiner Amtszeit (1918–1945) deutlich, dass die Einhaltung des Gesundheitsgesetzes eine Voraussetzung für den Tempelschein sei. In dieser Phase entwickelte sich die Interpretation hin zur heute bekannten Anwendung: vollständiger Verzicht auf Alkohol, Tabak, Tee und Kaffee sowie jeglicher abhängigmachender Substanzen.
Äußerungen moderner Führer zur geistigen Bedeutung
Präsident Boyd K. Packer erklärte: „Das Wort der Weisheit ist ein Schlüssel zur Offenbarung. Gehorsam in diesem Bereich öffnet die Tür für geistige Einsichten und Schutz“ (Generalkonferenz, Oktober 1996).
Präsident Russell M. Nelson sagte 2019: „Das Wort der Weisheit ist mehr als nur eine Liste von Do’s and Don’ts – es ist ein göttliches Prinzip, das körperliches Wohlbefinden und geistige Empfänglichkeit vereint.“
Auch Elder David A. Bednar betonte in einer Ansprache 2013, dass das Wort der Weisheit „nicht nur unsere physische Gesundheit, sondern unsere Fähigkeit stärkt, den Heiligen Geist zu empfangen und geistige Offenbarung zu verstehen.“
Geistliche Lehren und heutige Anwendung
Die zentrale Idee des Wortes der Weisheit ist nicht bloß eine Gesundheitsvorschrift, sondern ein Ausdruck göttlicher Weisheit, die körperliche und geistige Dimensionen des Menschseins vereint. Es steht in einer Linie mit biblischen Gesundheitsgeboten (z. B. Daniel 1:8–16) und erinnert an das Prinzip der Heiligkeit des Leibes als „Tempel Gottes“ (1. Korinther 3:16–17).
Die Warnung vor „listigen und arglistigen Entwürfen böser und gerissener Menschen“ hat angesichts moderner Suchtmittel, manipulativer Lebensmittelindustrie und Medikamentenmissbrauchs besondere Relevanz. Die Verheißungen an die Gehorsamen – körperliche Gesundheit, geistige Stärke und Schutz – sind in einer Welt wachsender physischer und emotionaler Belastungen eine machtvolle Verheißung.
Schlussgedanken
Lehre und Bündnisse 89 offenbart weit mehr als nur Ernährungsempfehlungen. Es ist ein göttlich inspirierter Lebensstil, der sowohl dem physischen als auch dem geistigen Wohl des Menschen dient. In einer Zeit zunehmender gesundheitlicher Herausforderungen ist das Wort der Weisheit ein Zeichen für Gottes Fürsorge und ein Prüfstein für unseren Gehorsam. Die Offenbarung lädt uns ein, unseren Körper als Geschenk Gottes zu ehren und unseren Geist für göttliche Führung offen zu halten.
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