Es ist die Pflicht des Schriftführers, den der Herr bestimmt hat
- manfred.lobstein
- 4. Aug.
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(Bild: Quelle)“
Es ist die Pflicht des Schriftführers, den der Herr bestimmt hat, einen Geschichtsbericht und allgemeine Aufzeichnungen der Kirche über alles, was in Zion vorgeht, zu führen und über alle diejenigen, die Eigentum weihen und vom Bischof rechtsgültig Erbteile empfangen;” (Lehre und Bündnisse 85:1).
Historischer Hintergrund von Lehre und Bündnisse 85 – „Ein Brief aus Kirtland, der Zion ordnen sollte“
Am 27. November 1832 griff Joseph Smith in Kirtland, Ohio, zur Feder, um eine ausführliche Antwort an William W. Phelps in Independence, Missouri, zu diktieren. Teile dieses Briefes bilden heute L & B 85. Anlass waren dringende Fragen, wie man in Zion (so nannten die Heiligen Jackson County) mit Zuwanderern umgehen solle, die das Gesetz der Weihung ignorierten – etwa William E. McLellin, der zwei Innenstadtgrundstücke einfach auf eigenen Namen gekauft hatte. Phelps und Bischof Edward Partridge fürchteten soziale Spannungen zwischen konsekrationsbereiten und eigenmächtig zugezogenen Mitgliedern, zugleich bangten sie um die geistige Reinheit der „Stadt der Heiligen“ churchofjesuschrist.org.
Josephs Antwort stellte klar, dass Zion nicht mit Zwang, sondern mit sauber geführten Aufzeichnungen regiert werden solle. Der „Schreiber des Herrn“ müsse Buch führen über alle, „die ihr Eigentum weihen und ihr Erbteil gesetzmäßig vom Bischof empfangen“ – und ebenso über jene, die es nicht tun. Diese Listen werden im Text als „Buch des Gesetzes Gottes“ bezeichnet; wer dort fehlt, hat später keinen Anspruch auf Boden in Zion churchofjesuschrist.org. Hinter dieser Verwaltungsanweisung steckt eine Theologie: Schon Johannes der Offenbarer sah die Menschheit einst „nach den Büchern“ gerichtet (Offb 20, 12). Joseph Smith verknüpfte himmlisches Gericht und irdische Kirchenbücher zu einer Einheit.
Besonders berühmt wurde Vers 7, der warnt, der Herr werde „einen Mächtigen und Starken“ senden, falls der amtierende Bischof seine Aufgabe verfehle. Die Formulierung bezog sich konkret auf Edward Partridge, der, wie Joseph schrieb, gelegentlich „die Lade stützen“ wolle, also außerhalb seiner Zuständigkeit handelte. Eine Erklärung der Ersten Präsidentschaft von 1905 stellte klar, die Prophezeiung sei bereits erfüllt, weil Partridge sich demütigte – wer sie trotzdem in die Zukunft verlege, müsse ihn als künftigen Zion‑Bischof verstehen, nicht als neuen Messias en.wikipedia.org.
Der Tag des Briefes markiert einen Wendepunkt auch für Joseph persönlich: Genau am 27. November 1832 kaufte er ein kleines Heft, eröffnete den Eintrag „Joseph Smith Jrs Book for Record“ und gelobte, „eine genaue Aufzeichnung aller Dinge“ zu führen. Dieses erste Tagebuch verdeutlicht, dass L & B 85 nicht nur Verwaltungsregeln, sondern eine umfassende Spiritualität der Erinnerung begründete josephsmithpapers.orgjosephsmithpapers.org.
Der gleiche Gedanke trug fast zehn Jahre später Früchte. 1841 ließ Joseph in Nauvoo ein voluminöses Register anlegen, das er bewusst „Book of the Law of the Lord“ nannte. Willard Richards, später William Clayton, notierten hier Tempelspenden, persönliche Würdigungen (u. a. für Emma Smith und Hyrum Smith) und allgemeine Tagesereignisse – ganz im Sinn der Offenbarung von 1832 josephsmithpapers.org.
Während Kirtland also mit Papieren rang, eskalierte in Missouri die Lage. Phelps war seit Juni 1832 Chefredakteur der ersten Kirchenzeitung The Evening and the Morning Star. Sie erhob aufrüttelnde Moral‑ und Freiheitsforderungen – und provozierte damit Sklavereibefürworter. Am 20. Juli 1833 zertrümmerte ein Mob die Druckerei, verbrannte fast alle schon gesetzten Exemplare des Book of Commandments und zwang die Heiligen zum Exodus aus Jackson County en.wikipedia.orginterpreterfoundation.org. Genau in dieser Atmosphäre suchten Partridge und Phelps nach Leitlinien; Josephs Brief kam deshalb buchstäblich zwischen Rauchschwaden in Zion an.
Schließlich nahm Orson Pratt die einschlägigen Passagen 1876 in die Doctrine and Covenants auf. Dass ein privater Brief zur kanonischen Schrift wurde, zeigt, wie sehr die junge Kirche institutionelles Handeln und Offenbarung verschmolz. Heute erinnert L & B 85 daran, dass Zion weder durch Landkauf noch durch moralische Überheblichkeit wächst, sondern durch freiwillige Hingabe, dokumentierte Rechtschaffenheit und gottgeführte Ordnung.
Kurzbiografie William Wines Phelps (1792 – 1872)
William W. Phelps wurde am 17. Februar 1792 in Dover, New Jersey, geboren. Früh erlernte er das Druckerhandwerk und stieg zum streitbaren Chefredakteur mehrerer Zeitungen im Bundesstaat New York auf. 1827 schloss er sich der Anti‑Masonry-Bewegung an und leitete die Ontario Phoenix in Canandaigua rsc.byu.edu.
Sein Weg zur Migliedschaft in der Kirche des Herrn begann, als er am 9. April 1830 ein Exemplar des Buches Mormon erwarb. Die nächtliche Lektüre überzeugte ihn so sehr, dass er noch 1831 nach Kirtland zog, wo Joseph Smith durch Offenbarung (L & B 55) bestimmte, Phelps solle als „Drucker der Kirche“ nach Missouri gehen rsc.byu.edu. In Independence gründete er die Kirchenpresse, redigierte ab Juni 1832 die Evening and Morning Star und begann den Druck des Book of Commandments – bis der Mob das Werk zerstörte en.wikipedia.org.
Nach der Vertreibung wirkte Phelps zeitweise in Kirtland, half 1835/36 bei der ersten Ausgabe der Lehre und Bündnisse, erstellte gemeinsam mit Emma Smith das erste Gesangbuch und schrieb die Hymne „The Spirit of God like a Fire Is Burning“, die bei der Kirtland‑Tempelweihe am 27. März 1836 erklang churchofjesuschrist.orgrsc.byu.edu.
Wirtschaftliche Unregelmäßigkeiten beim Landerwerb in Far West führten 1838 zu seiner Exkommunikation. Tief zerknirscht bat er jedoch 1840 in einem Brief an Joseph Smith um Vergebung – und erhielt sie. Die beiden Männer versöhnten sich vollständig, wie Josephs berühmter Satz „Freunde am Anfang, Freunde wieder am Ende“ bezeugt josephsmithpapers.org.
In Nauvoo diente Phelps anschließend als Stadtrat, Ghostwriter für politische Manifeste des Propheten und Mitverfasser der History of the Church. Nach dem Martyrium 1844 trat er öffentlich für die Zwölf Apostel ein und zog 1846/47 mit den Heiligen in den Westen. Im Territorium Utah war er Delegierter der Verfassungsversammlung, Sprecher des Repräsentantenhauses und Kurator der University of Deseret rsc.byu.edu.
Sein Tod am 7. März 1872 in Salt Lake City beendete ein bewegtes Leben voller Licht und Schatten. Dennoch bleibt William W. Phelps bis heute vor allem als Poeta laureatus der Wiederherstellung in Erinnerung – seine Texte wie „Der Geist des Herrn“ oder „Now Let Us Rejoice“ prägen den Gottesdienst der Kirche noch immer und machen deutlich, dass Umkehr und schöpferische Begabung einander nicht ausschließen, sondern verwandeln können.
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