Es ist kein anderer für euch bestimmt
- manfred.lobstein
- 2. Mai
- 5 Min. Lesezeit

Die Hauptwurzel steht für Offenbarung an die Kirche, die feinen Wurzeln für persönliche Führung jedes Einzelnen – alles genährt von derselben göttlichen Quelle. (Bild generiert mit ChatGPT)
“Und dies sollt ihr ganz sicher wissen: Es ist kein anderer für euch bestimmt, Gebote und Offenbarungen zu empfangen, bis er hinweggenommen werden wird, sofern er in mir verbleibt.” (Lehre und Bündnisse 43:3).
Historie zu Lehre und Bündnisse 43:1-35
Die Offenbarung in L&B 43 entstand im Februar 1831, kurz nachdem Joseph Smith in Kirtland, Ohio, eingetroffen war. Zu diesem Zeitpunkt war die Gemeinde dort noch jung, unerfahren und ohne feste Führung, da die missionarischen Pioniere wie Oliver Cowdery bereits weitergezogen waren und andere Führungspersönlichkeiten wie Sidney Rigdon erst Joseph Smith in New York aufgesucht hatten. In dieser Lage fehlte es den Neubekehrten an Ordnung und Klarheit, wodurch es zu spirituellen Übertreibungen und Verwirrung kam. Berichte schildern, dass einige Mitglieder angaben, Engel hätten ihnen Schriften gezeigt – auf der Bibel, auf Pergament, das durch die Luft flog, oder sogar auf ihren Händen. Andere verloren angeblich ihre Kraft oder glitten auf dem Boden umher. John Whitmer, der zu dieser Zeit als Kirchenhistoriker tätig war, hielt fest, dass solche Phänomene der Sache des Evangeliums schadeten.
Inmitten dieser chaotischen Zustände trat eine Frau auf, die nur als „Frau Hubble“ bekannt ist – vermutlich Laura Fuller Hubble oder Louisa Hubbell. Sie behauptete, Prophetin zu sein, habe zahlreiche Offenbarungen empfangen, bekenne sich zur Wahrheit des Buches Mormon und sei berufen, die Kirche zu lehren. Sie trat mit großem Ernst auf und überzeugte einige Mitglieder. Doch andere, die die Gabe der Unterscheidung besaßen, erkannten die Unwahrheit ihrer Aussagen. Die Situation erinnerte stark an die frühere Kontroverse um Hiram Page, der ebenfalls behauptete, Offenbarungen für die Kirche zu empfangen (LuB 28).
Joseph Smith sah sich durch diese Entwicklungen veranlasst, den Herrn um Rat zu fragen. Die Antwort war die Offenbarung in L&B 43. Diese stellte klar, dass nur Joseph Smith – oder jemand, der von ihm autorisiert ist – Offenbarungen und Gebote für die gesamte Kirche empfangen könne. Persönliche Offenbarungen wurden dadurch nicht ausgeschlossen oder abgewertet; vielmehr wurde eine Ordnung geschaffen, die zwischen persönlichen Inspirationen und kirchenweiten Offenbarungen unterscheidet. Jeder Heilige kann durch den Geist Gottes Erkenntnisse empfangen und Lehren hervorbringen, wie man die Gebote Gottes befolgen soll. Doch diese Lehren dürfen nicht mit den verbindlichen Offenbarungen verwechselt werden, die durch den berufenen Propheten kommen.
Diese Klarstellung war notwendig, um die Mitglieder vor Täuschung zu schützen und sie zu lehren, „zu unterscheiden“, wie John Whitmer es ausdrückte. Die Offenbarung führte zu mehr Einheit und Verständnis unter den Gläubigen. Sie erkannte sowohl die Wirklichkeit geistiger Gaben an als auch die Notwendigkeit einer geordneten Struktur innerhalb der Kirche. Zugleich weist der Text über seine unmittelbare Situation hinaus: Er ist in seinem Aufbau fast poetisch und enthält deutliche Hinweise auf die Wiederkunft Christi – er ist somit auch ein eschatologischer Text, der sich mit den letzten Dingen beschäftigt.
In der Gesamtschau zeigt sich, dass L&B 43 in einer kritischen Übergangszeit gegeben wurde, in der die junge Kirche wuchs, aber auch mit Unsicherheit und geistiger Verwirrung rang. Die Offenbarung diente nicht nur der Berichtigung eines konkreten Problems, sondern legte auch wichtige Grundsätze fest, die bis heute für das Verständnis von Offenbarung und kirchlicher Ordnung relevant sind.
In den ersten Versen bekräftigt der Herr, dass in seiner Kirche zwar jedes würdige Mitglied persönliche Offenbarung empfangen kann, jedoch verbindliche Offenbarung für die gesamte Kirche nur innerhalb bestimmter geistiger Zuständigkeiten gegeben wird. Joseph Smith wird erneut als einziger autorisierter Empfänger göttlicher Gebote und Offenbarungen für die Kirche bestätigt. Diese Klarstellung war nötig, weil neue Mitglieder – wie einst im Fall von Hiram Page und jetzt erneut mit einer Frau namens Hubble – meinten, Offenbarungen für die Gesamtkirche empfangen zu haben. Joseph Smith betonte später in einem ähnlichen Fall (Jane Sherwood), dass persönliche Offenbarungen niemals die Autorität derjenigen übersteigen dürften, denen kirchliche Führungsverantwortung übertragen wurde. Diese Prinzipien gelten bis heute: Offenbarung ist jedem verheißen, doch sie muss innerhalb der geistigen Zuständigkeit und durch die rechtmäßigen Träger der Schlüssel erfolgen.
In diesen Versen spricht der Herr über die Bedeutung des regelmäßigen Zusammenkommens der Heiligen. Wie schon im Buch Mormon beschrieben, sollen die Mitglieder sich oft versammeln, um zu beten, zu fasten, einander zu unterweisen und das Abendmahl zu nehmen. Solche Zusammenkünfte stärken die Gemeinschaft der Gläubigen und bieten Gelegenheiten, das Evangelium aktiv anzuwenden. Während die persönliche Beziehung zu Gott grundlegend bleibt, entsteht in der Gemeinschaft ein Raum, in dem man durch gegenseitiges Dienen, Vergeben und gemeinsames Lernen im Glauben wächst. Wie Elder Christofferson erklärte, erleben die Mitglieder in der Kirche nicht nur Lehre, sondern auch deren praktische Umsetzung im alltäglichen Leben.
Hier wird das Lehramt der Ältesten und Missionare der Kirche angesprochen. Der Herr beauftragt sie, das Evangelium zu verkünden, und warnt davor, sich von ihrer Aufgabe durch Streitgespräche oder Diskussionen ablenken zu lassen. Wer zum Lehren berufen ist, soll seine Stimme erheben und die Botschaft des wiederhergestellten Evangeliums klar und bestimmt weitergeben – nicht als Debattierer, sondern als Zeuge. Der Zweck der Mission ist es nicht, Diskussionen zu gewinnen, sondern die Wahrheit zu verkünden. Die Reaktion der Zuhörenden liegt nicht in der Verantwortung des Lehrenden. Der Herr erwartet von seinen Dienern, dass sie ihre Aufgabe gewissenhaft erfüllen und das Ergebnis in seine Hände legen.
In diesem Abschnitt betont der Herr, dass die Verkündigung seiner Botschaft auch eine ernste Warnung ist. Er ruft die Welt durch seine Diener, durch Engel und durch die zunehmenden Naturkatastrophen der letzten Tage zur Umkehr. Solche Katastrophen können einerseits als Zeichen des Gerichts gedeutet werden, andererseits öffnen sie auch Türen für Barmherzigkeit, Demut und geistige Umkehr. Präsident Hinckley erwähnte im Zusammenhang mit Hurrikan Katrina die immense Not, aber auch die große Hilfsbereitschaft, insbesondere durch christliche Kirchen. Obwohl er betonte, dass die Katastrophe kein göttliches Strafgericht sei, erinnerte er dennoch daran, dass die Heiligen Schriften vor künftigen Ereignissen dieser Art warnen – nicht nur als Warnung, sondern auch als Gelegenheit, das Evangelium durch liebevollen Dienst zu verbreiten.
Zum Schluss der Offenbarung richtet sich der Blick auf die Wiederkunft Christi und das Tausendjährige Friedensreich. Der Herr verheißt eine Zeit, in der Christus persönlich auf Erden herrschen wird – eine zentrale Glaubensüberzeugung der Heiligen der Letzten Tage. Diese Verheißung ist keine Metapher, sondern eine konkrete Erwartung. Wenn der Herr die Zügel der Weltregierung in die Hand nimmt, wird Gerechtigkeit herrschen, Chaos wird verschwinden und es wird keine Kriege mehr geben. Die Kirche hat immer gelehrt, dass der Friede Christi nicht nur in der Zukunft, sondern schon heute im persönlichen Leben erfahrbar ist – doch die endgültige Ordnung und Gerechtigkeit wird durch Christi wörtliche Wiederkunft auf der Erde Wirklichkeit werden.
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