Forscht eifrig, betet immer und seid gläubig
- manfred.lobstein
- 21. Aug.
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(Bild: Quelle)
“Forscht eifrig, betet immer und seid gläubig, dann wird alles zu eurem Guten zusammenwirken, wenn ihr untadelig wandelt und des Bundes eingedenk seid, mit dem ihr euch miteinander verbunden habt.” (Lehre und Bündnisse 90:24).
Lehre und Bündnisse 90 – Historischer Kontext und geistliche Entwicklung zur Ersten Präsidentschaft hin
Der Abschnitt 90 des Buches Lehre und Bündnisse markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der frühen Geschichte der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage: Die offizielle Einrichtung der Ersten Präsidentschaft als Leitungsgremium der Kirche. Diese Offenbarung wurde am 8. März 1833 in Kirtland, Ohio, empfangen, in einer Zeit intensiver Offenbarungen, wachsender organisatorischer Strukturen und zunehmender Verantwortung für Joseph Smith und seine Ratgeber. Um den vollen Umfang und die Tragweite dieses Abschnitts zu verstehen, muss man sich mit der Entwicklung der kirchlichen Ämter vor der formellen Organisation der Kirche bis hin zur Einführung dieses höchsten Priestertumspräsidiums vertraut machen.
Frühphase der Offenbarungen und Ämter: Vor der Kirchenorganisation
Noch bevor die Kirche offiziell am 6. April 1830 gegründet wurde, hatte Joseph Smith bereits geistliche Führungsverantwortung übernommen. In den Jahren 1828–1829 erhielt er zahlreiche Offenbarungen, die die Wiederherstellung des Evangeliums Jesu Christi und die Wiederbegründung der wahren Kirche vorbereiteten. In diesem Rahmen wurde auch das Aaronische Priestertum durch Johannes den Täufer und wenig später das Melchisedekische Priestertum durch Petrus, Jakobus und Johannes wiederhergestellt. Dennoch gab es zu dieser Zeit noch keine formelle Struktur mit klar definierten Ämtern, wie man sie heute kennt.
Kurz nach der Gründung der Kirche begannen sich bestimmte Rollen herauszubilden: Älteste, Priester, Lehrer und Diakone wurden berufen und ordiniert. Joseph Smith war als erster „Seher, Übersetzer, Prophet, Apostel Jesu Christi und Ältester der Kirche“ bezeichnet worden (siehe LuB 21:1). Die Frage, wie Führungsverantwortung organisiert und auf mehrere Schultern verteilt werden sollte, stellte sich aber bald dringlicher, je mehr die Kirche wuchs.
Die ersten Führungsfunktionen: Sidney Rigdon und Frederick G. Williams
In den Jahren 1831 und 1832 kristallisierte sich ein enger Führungszirkel um Joseph Smith heraus. Besonders wichtig waren Sidney Rigdon – ein ehemaliger baptistischer Prediger, der sich nach seiner Bekehrung mit großem Eifer in die Missionsarbeit und Lehre einbrachte – und Frederick G. Williams, ein ebenfalls bekehrter Prediger, der Josephs Vertrauen genoss.
Bereits in Lehre und Bündnisse 81 (März 1832) hatte Joseph Smith offenbart, dass ein Mann namens Jesse Gause als Ratgeber berufen wurde. Diese Rolle war zunächst nicht klar definiert, aber sie entwickelte sich zur Position eines Ratgebers oder Helfers im Führungsamt. Als Jesse Gause die Kirche verließ, wurde sein Name durch Frederick G. Williams ersetzt. Diese Entwicklung deutete an, dass Joseph nicht allein an der Spitze stehen, sondern durch inspirierte Ratgeber ergänzt werden sollte.
Gleichzeitig wurde Joseph Smiths eigene Berufung als „Präsident des Hohen Priestertums“ in Lehre und Bündnisse 107:65–66 später klarer umrissen. Aber bereits im Jahr 1832 wurde dieses Amt erwähnt – zunächst noch unklar in Bezug auf seine genauen Vollmachten. Es war ein wachsender Prozess göttlicher Ordnung.
Die Offenbarung von Lehre und Bündnisse 90: Formierung der Ersten Präsidentschaft
Mit der Offenbarung vom 8. März 1833 wurde die Erste Präsidentschaft der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage offiziell eingesetzt. In Vers 6 heißt es:
„Und abermals, wahrlich, ich sage deinen Brüdern Sidney Rigdon und Frederick G. Williams: Ihre Sünden sind ihnen auch vergeben, und sie werden als dir gleichwertig erachtet, die Schlüssel dieses letzten Reiches innezuhaben.“
Damit wurden Rigdon und Williams als gleichwertige Träger priesterlicher Schlüsselvollmacht neben Joseph Smith bestätigt. Es handelte sich um mehr als beratende Aufgaben – sie wurden Teil eines präsidierenden Gremiums mit göttlicher Autorität.
In Vers 9 beschreibt der Herr ihre gemeinsame Aufgabe:
„damit sie durch dein Wirken das Wort empfangen und durch ihr Wirken das Wort hinausgehe an die Enden der Erde, zu den Anderen zuerst, und dann, siehe, ja siehe, werden sie sich den Juden zuwenden.“
Joseph Smith empfängt Offenbarung; seine Ratgeber helfen, das Evangelium weltweit zu verkünden. Diese Offenbarung begründet die kollegiale Leitung der Kirche durch inspirierte Männer – ein Grundprinzip, das bis heute fortbesteht.
Die Erfüllung einer göttlichen Ordnung: Die Rolle der Ersten Präsidentschaft
Mit der Einsetzung der Ersten Präsidentschaft durch die Offenbarung in Lehre und Bündnisse 90 wurde nicht nur eine organisatorische Maßnahme getroffen, sondern eine göttliche Ordnung wiederhergestellt. Joseph Smith, Sidney Rigdon und Frederick G. Williams bildeten fortan das höchste Leitungsgremium der Kirche. Ihre Aufgaben gingen dabei weit über Verwaltung hinaus. In Vers 15 wird deutlich, dass geistige und intellektuelle Bildung eine zentrale Rolle spielen sollte:
„und die Gemeinden in Ordnung bringen und studieren und lernen und mit allen guten Büchern und mit Sprachen, Zungen und Völkern bekannt werden.“
Dies zeigt, dass die Erste Präsidentschaft berufen war, sich umfassend mit Wahrheit – geistlich wie weltlich – auseinanderzusetzen, um die Kirche in einer zunehmend komplexen Welt weise zu führen. Bildung, Organisation und die Fähigkeit, unterschiedliche Völker und Kulturen zu verstehen, gehörten ausdrücklich zu ihrem göttlichen Auftrag.
In Vers 16 wird dieser Auftrag klar zusammengefasst:
„Und dies soll euer ganzes Leben lang eure Arbeit und eure Sendung sein: im Rat zu präsidieren und alle Angelegenheiten dieser Kirche und dieses Reiches in Ordnung zu bringen.“
Die Erste Präsidentschaft war also nicht nur ein administratives Organ, sondern hatte die göttliche Vollmacht, „alle Angelegenheiten“ der Kirche und des aufgerichteten Reiches Gottes zu ordnen. Diese Berufung war auf Lebenszeit angelegt und umfasste sowohl geistliche Führung als auch praktische Umsetzung des göttlichen Plans auf Erden.
Weiterentwicklung der Kirchenführung nach Abschnitt 90
Nach dieser Offenbarung entwickelte sich die Kirchenführung weiter:
1835 wurde der Hoherat in Kirtland formell organisiert (LuB 102).
Die Zwölf Apostel wurden als „Reisendes Hohes Priestertum“ berufen – untergeordnet der Ersten Präsidentschaft.
Auch die Siebziger und andere Ämter wurden geordnet eingeführt.
Lehre und Bündnisse 90 war also ein Schlüsselereignis, das die Kirche aus einem Stadium der prophetischen Führung durch eine Einzelperson in eine strukturierte, göttlich autorisierte Präsidentschaftsform überführte. Sie ist seither der höchste Rat der Kirche auf Erden.
Geistliche Anwendung und Bedeutung heute
Für heutige Mitglieder der Kirche hat dieser Abschnitt weitreichende Bedeutung:
Gott arbeitet durch ordnungsgemäß berufene Führer, nicht nur durch Einzelpersonen, sondern durch ein Kollegium, das auf Offenbarung beruht.
Die Erste Präsidentschaft hat lehrmäßige und administrative Vollmacht, die in göttlichem Auftrag ausgeübt wird.
Die Betonung auf Übersetzung, Bildung, Ordnung und Sammlung des Hauses Israel weist auf kontinuierliche Aufgaben der Kirche in der Endzeit hin.
Die Offenbarung in LuB 90 lehrt damit nicht nur Organisation, sondern auch Demut, Vertrauen und Glauben an die göttliche Führung in allen Dingen. Sie weist auf ein weltweites Werk hin, in dem, wie in Vers 11 verheißen, „jedermann [...] die Fülle des Evangeliums in seiner eigenen Zunge und in seiner eigenen Sprache vernehmen“ wird – durch ordiniert Bevollmächtigte und durch das Wirken des Trösters, der Jesus Christus offenbart.
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