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Frauen haben an ihren Mann Anspruch auf ihren Unterhalt

  • Autorenbild: manfred.lobstein
    manfred.lobstein
  • vor 5 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

(Bild: Quelle)


“Frauen haben an ihren Mann Anspruch auf ihren Unterhalt, bis ihr Mann weggenommen wird; und wenn sie nicht als Übertreterinnen befunden werden, sollen sie Gemeinschaft in der Kirche haben.” (Lehre und Bündnisse 83:2). 


Lehre und Bündnisse 83 – Historischer Hintergrund 


Als Joseph Smith Ende April 1832 von Kirtland nach Missouri reiste, lagen bewegte Monate hinter der jungen Kirche. Erst wenige Tage zuvor, am 26. April, hatte der Prophet im Rahmen einer hohen Priesterversammlung in Independence Abschnitt 82 diktiert, der die Heiligen an ihre Bundespflichten gegenüber der „Armen“ erinnerte. Vier Tage später, am 30. April 1832, versammelte er sich erneut mit Kirchenführern in Independence, als die Frage aufkam, wie die bereits eingeführten Regeln der Weihe­gesetze konkret auf Frauen und Kinder anzuwenden seien, die ihre Ernährer verloren hatten. In dieser Beratung empfing Joseph die Offenbarung, die heute als Abschnitt 83 überliefert ist und den Anspruch von Witwen, Waisen und minderjährigen Kindern auf die Ressourcen der Kirche festschreibt. (josephsmithpapers.org) 


Der unmittelbare Anlass war offenbar ein Besuch Josephs bei den aus Colesville (New York) stammenden Heiligen, die sich zwölf Meilen westlich von Independence im Kaw Township am Big-Blue-River niedergelassen hatten. Joseph vermerkte über dieses Treffen, er habe dort „einen Willkommensgruß empfangen, wie ihn nur Brüder und Schwestern empfangen können, die in demselben Glauben vereint sind“—eine Formulierung, die später in den Geschichtswerken wortgetreu auftauchte. (josephsmithpapers.orgdoctrineandcovenantscentral.org)  


Unter den Colesville-Heiligen waren wenigstens zwei verwitwete Frauen: Phebe Crosby Peck, Mutter von vier Kindern, und Anna Slade Rogers mit ihrer Tochter. Beide hatten ihre Ehemänner bereits 1829 verloren, also noch vor Verkündigung des Weihegesetzes; Josephs persönliche Verbundenheit mit ihnen wird in der historischen Forschung als möglicher Auslöser für seine Anfrage an den Herrn gewertet. (josephsmithpapers.orgdoctrineandcovenantscentral.org) 


Seit Februar 1831 galt in der Kirche das „Gesetz in Bezug auf die Weihung von Eigentum“ (L&B 42), das verlangte, dass jedes Gemeindemitglied überschüssiges Eigentum dem Bischof als Treuhänder weiht, damit „jedermann nach seinem Bedarf reichlich versorgt werde“. Doch die Bestimmungen nannten ausdrücklich nur „individuals“—ein Begriff, der damals im juristischen Sprachgebrauch meist Männer meinte. Ob und wie Frauen, die kein eigenes Vermögen besaßen, aus dem Vorratshaus bedient werden durften, blieb unklar. (josephsmithpapers.org) 


Hinzu kam der Widerspruch zwischen kirchlichem Weihegesetz und weltlichem Eigentumsrecht. Nach den Statuten Missouris hatte eine Ehefrau lediglich ein Dower-Recht: Sie konnte ein Drittel des Grundbesitzes ihres verstorbenen Mannes beanspruchen, während übrig­bleibende bewegliche Habe anteilsmäßig unter ihr und den Kindern aufgeteilt wurde. Doch was geschah, wenn der Mann sein Land bereits an die Kirche übertragen hatte? Die Landtitel waren in der Regel auf seinen Namen ausgestellt, und eine Rückübertragung an die Witwe war nicht automatisch vorgesehen. Die Offenbarung vom 30. April 1832 griff genau diese Lücke auf und erklärte unmissverständlich, dass „Witwen und Waisen … Anspruch auf das Vorratshaus des Herrn“ hätten (L&B 83:6). (josephsmithpapers.orgscripturecentral.org) 


Die Formulierung, Abschnitt 83 sei eine „addition to the laws“, unterstreicht, dass es sich nicht um ein völlig neues soziales Programm handelte, sondern um eine Aus­bau­stufe des bereits existierenden Weihesystems. Während L&B 42 vor allem die Pflichten der Spender definierte, ergänzt L&B 83 ausdrücklich die Rechte der Empfangenden. Der Text verschiebt das Augenmerk von der Frage, wer geben soll, hin zu der Frage, wer empfangen darf—und schafft damit Rechtssicherheit für die verletzlichsten Mitglieder der Gemeinde. (doctrineandcovenantscentral.org) 


Interessant ist auch die Überlieferungsgeschichte der Offenbarung. Das früheste erhaltene Manuskript befindet sich in den Nachlässen von Bischof Newel K. Whitney. Es trägt die Überschrift „as to Women & children; Inheretance at Zion 30 ap l. 1832“, ist jedoch in der Handschrift Sidney Rigdons verfasst und vermutlich wenige Wochen nach dem Empfang abgeschrieben worden—ein Hinweis darauf, wie rasch praktische Richtlinien an die Amtsträger vor Ort weitergegeben wurden. (josephsmithpapers.org) 

Die Tatsache, dass eine Frauen- und Kinderfrage überhaupt auf höchster Ebene der Kirchenverwaltung diskutiert wurde, wirft ein Licht auf das Selbstverständnis der frühen Heiligen in Missouri. Bereits seit Juli 1831 betrachteten sie Jackson County als verheißene „Stadt Zions“; dementsprechend mussten ihre gesellschaftlichen Strukturen dem Ideal einer gottgeweihten Gemeinschaft entsprechen. Für Joseph Smith war es dabei selbstverständlich, biblische und buchmormoni­sche Maßstäbe anzulegen: Beide heiligen Bücher mahnen wiederholt, die „Vaterlosen und Witwen“ nicht zu übersehen (vgl. Jakob 2:17; Jakobus 1:27). Abschnitt 83 verankert diese alttestamentliche Sozialethik nun in der noch jungen Offenbarungs­sammlung des 19. Jahrhunderts. (josephsmithpapers.orgscripturecentral.org) 


Die Umsetzung blieb allerdings vorerst lokal begrenzt. Weder in Kirtland noch in anderen Ansiedlungen verfügte die Kirche 1832 über vergleichbar ausgebaute Vorratshäuser wie in Independence, wo Bischof Edward Partridge die Güter patrimonial verwaltete. Erst Jahrzehnte später entwickelte sich daraus das bekannte Wohlfahrtsprogramm der Kirche. Dennoch war die in L&B 83 fest­gehaltene Rechtsidee zukunftsweisend: Sie schlug eine Brücke zwischen familiärer Eigenverantwortung („Frauen haben Anspruch auf ihre Männer … Kinder auf ihre Eltern“) und kollektiver Fürsorge („und danach … auf die Kirche“), ein Modell, das sich im weiteren Verlauf der Kirche immer wieder bewährte. (josephsmithpapers.orgarchive.dev-bookofmormoncentral.org) 


Bemerkenswert ist ferner, wie stark das Dokument den patriarchalen Zeitgeist seiner Entstehungs­periode spiegelt und zugleich transzendiert. Einerseits bestätigt Vers 2 die Unterhalts­pflicht des Ehemannes nach dem damals selbst­verständlichen Leitprinzip des männlichen Familienoberhauptes. Andererseits erhalten Frauen, sofern sie „nicht als Übertreterinnen befunden“ werden, “sollen sie Gemeinschaft in der Kirche haben” —eine Terminologie, die ihnen eine bewusst geistliche Identität zuspricht, anstatt sie lediglich als rechtliche Anhängsel ihrer Männer zu betrachten. Für die Kirche des 19. Jahrhunderts war das eine bemerkenswert fortschrittliche Nuance. (josephsmithpapers.org) 


Die Wirkung dieser Offenbarung zeigte sich schon bald in konkreten Beispielen von Hilfs­bereitschaft. Zeit­genossen berichten, dass Joseph Smith, wenn ihn Berichte von Not erreichten, oft als Erster in die Tasche griff—so auch in Nauvoo, als er „fünf Dollar“ für eine abgebrannte Hütte spendete und die Anwesenden aufforderte, ihr Mitleid in gleicher Weise zu zeigen. Solche Anekdoten illustrieren, wie stark sich der Prophet persönlich mit den Fürsorge­prinzipien identifizierte, die er wenige Jahre zuvor schriftlich empfangen hatte. (archive.dev-bookofmormoncentral.org) 


Zusammenfassend lässt sich sagen: Abschnitt 83 entstand in einem Moment, da das Weih­egesetz praktisch erprobt, rechtlich aber noch unvollständig war. Indem die Offenbarung präzise regelt, dass auch diejenigen Anspruch haben, die am wenigsten Eigentum zur Weihe-Kasse beitragen konnten, stellt sie sicher, dass das zentrale Ziel des Gesetzes—„dass niemand unter euch arm sei“—nicht an einer restriktiven Auslegung scheitert. Zugleich verleiht sie den betroffenen Frauen und Kindern eine Stimme im ökonomischen Diskurs der Gemeinde. Historisch markiert L&B 83 somit einen entscheidenden Schritt vom Ideal zur institutionellen Praxis eines umfassenden Wohlfahrts­systems, das sich bis in die Gegenwart fortentwickelt hat. 


 
 
 

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