Ich habe euch ausgesandt, die Menschen zu warnen
- manfred.lobstein
- 15. Aug.
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(Bild: Quelle)
“Siehe, ich habe euch ausgesandt, Zeugnis zu geben und die Menschen zu warnen; und einem jeden, der gewarnt worden ist, kommt es zu, seinen Nächsten zu warnen.” (Lehre und Bündnisse 88:81).
Die Warnung an die Welt (Verse 81–85)
Der Abschnitt beginnt mit einem feierlichen Auftrag: „Ich habe euch ausgesandt, Zeugnis zu geben und die Menschen zu warnen“ (V. 81). Jeder, der die Warnung erhalten hat, ist verpflichtet, sie weiterzugeben. Das ist ein göttliches Prinzip der Verantwortung – wer Licht empfangen hat, soll es nicht unter den Scheffel stellen (vgl. Matthäus 5:15–16). Die Weigerung, dieses Licht weiterzugeben, führt dazu, dass die Sünden auf das eigene Haupt zurückfallen (V. 82).
In der heutigen Zeit, in der Wahrheit oft relativiert wird, ist diese Mahnung aktueller denn je. Christus lädt uns ein, ihn „frühe“ zu suchen (V. 83), ein Ausdruck, der geistige Wachsamkeit beschreibt (vgl. Sprüche 8:17). Eifriges Arbeiten an unserer geistlichen Vervollkommnung (V. 84) und die Vorbereitung auf das Gericht gehören zu den beständigen Herausforderungen eines gläubigen Lebens.
Die Formulierung „das Gesetz zuzubinden und das Zeugnis zu versiegeln“ erinnert an Jesaja 8:16 und betont, dass die letzte Evangeliumsbotschaft nicht nur verkündigt, sondern auch besiegelt wird – mit heiligem Ernst. Die Warnung vor dem „Grimm Gottes“ (V. 85) ist kein Selbstzweck, sondern Ausdruck göttlicher Gerechtigkeit und Barmherzigkeit.
Aufruf zur geistigen Reinheit und Warnung vor apokalyptischen Zeichen (Verse 86–91)
In Vers 86 wird die Gemeinde erneut aufgerufen, „in der Freiheit zu verbleiben“, nicht in Sünde verstrickt zu sein und reine Hände zu bewahren – eine eindringliche Mahnung zur Heiligkeit (vgl. Psalm 24:3–4). Die Zeichen der Endzeit folgen unmittelbar: Erschütterung der Erde, Dunkelheit der Sonne, Blut am Mond, fallende Sterne (V. 87). Diese Beschreibungen erinnern deutlich an Offenbarung 6:12–14.
Die Reihenfolge ist bedeutsam: Erst das Zeugnis der Heiligen, dann das Zeugnis der Naturgewalten (V. 88–90). Gott spricht auf mehreren Ebenen zu seinen Kindern – durch seine Diener, durch das Gewissen und schließlich durch das Universum selbst. Die Reaktion der Menschen – Furcht, Verzweiflung, Aufruhr – zeigt die geistige Vorbereitungslosigkeit vieler (V. 91).
Engel, Posaunen und die Vorbereitung auf das Gericht (Verse 92–98)
Mit gewaltiger Symbolik treten nun Engel auf, die mit der Posaune Gottes warnen. In Vers 92 wird ausgerufen: „Macht euch bereit, o ihr Bewohner der Erde!“ Dies erinnert an das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Matthäus 25), in dem der Ruf „Siehe, der Bräutigam kommt“ dieselbe Dringlichkeit trägt.
Ein sichtbares Zeichen am Himmel (V. 93) kennzeichnet die letzte Phase – möglicherweise ein Hinweis auf die Wiederkunft Christi, wie in Matthäus 24:30 beschrieben. In Vers 94 wird die große Hure der Erde genannt, die „Mutter der Gräuel“, wie sie auch in Offenbarung 17:5 beschrieben wird. Sie wird zum Verbrennen gebündelt – ein Symbol für das endgültige Gericht über das gottlose System der Welt.
Der dramatische Moment des „entfalteten Himmels“ (V. 95), der Vorhang, der wie eine Schriftrolle zurückgerollt wird, steht für die Offenbarung der göttlichen Wirklichkeit. Es ist der Moment, in dem die Heiligen entrückt werden (V. 96–97), wie auch in 1. Thessalonicher 4:16–17 beschrieben. Diese Entrückung umfasst sowohl die Lebenden als auch die Verstorbenen, die dem Herrn in der „Mitte der Himmelssäule“ begegnen – ein eindrucksvolles Bild der Zusammenführung der Gerechten.
Die Posaunen des Gerichts (Verse 99–107)
Die nächsten Verse beschreiben sieben Engel, die nacheinander ihre Posaunen erschallen lassen. Diese Posaunen kündigen verschiedene Etappen des göttlichen Gerichts an:
Zweite Posaune (V. 99): Erlösung derer, die im Gefängnis waren, die das Evangelium nach dem Tod annahmen – eine einzigartige Lehre, die sich in 1. Petrus 4:6 und 1. Korinther 15:29 widerspiegelt.
Dritte Posaune (V. 100–101): Gericht über die übrigen Toten, die erst nach den tausend Jahren auferstehen (vgl. Offenbarung 20:5).
Vierte Posaune (V. 102): Die endgültige Bestimmung der Unreinen – ein Hinweis darauf, dass nicht alle letztlich gereinigt werden wollen (vgl. Daniel 12:10).
Fünfte Posaune (V. 103–104): Verkündigung des Evangeliums an alle Nationen, das universale Bekenntnis vor Christus. Dieser Vers bezieht sich deutlich auf Offenbarung 14:6–7 („Fürchtet Gott, und gebt ihm die Ehre...“).
Sechste Posaune (V. 105): Der Fall der großen Hure wird erneut betont – es ist eine Bestätigung des Untergangs babylonischer Systeme.
Siebte Posaune (V. 106–107): Der große Triumph: „Es ist vollbracht!“ Das Lamm hat die Weinkelter des Zorns Gottes allein getreten. Hier wird deutlich, dass Christus das Gericht trägt, aber auch durch es hindurch triumphiert – eine Parallele zur Passion Christi und zu Jesaja 63:3.
Zum Abschluss wird gesagt, dass die Engel mit Herrlichkeit gekrönt werden und die Heiligen Christus gleichgemacht werden (V. 107; vgl. 1. Johannes 3:2). Dies ist der Höhepunkt der Verheißung: Teilhabe an göttlicher Herrlichkeit, nicht nur symbolisch, sondern real und ewig.
Lehren für heute
Dieser Abschnitt ist nicht nur ein prophetisches Panorama der Letzten Tage, sondern auch ein persönlicher Weckruf. Die Verse 81–85 betonen unsere Verantwortung als Zeugen Christi – ein Thema, das heute genauso relevant ist wie zu Joseph Smiths Zeiten. Die Einladung, Christus früh zu suchen und rein zu bleiben, trifft unsere Zeit der moralischen Verwirrung direkt ins Herz.
Die Posaunenbilder erinnern uns, dass Gott nicht schweigt – er spricht in Macht. Und jede Seele wird sich letztlich vor ihm beugen (Philipper 2:10–11). Die Reihenfolge der Entrückung, Auferstehung, und des Gerichts ist nicht nur eine Chronologie, sondern auch ein Ausdruck der göttlichen Ordnung.
Fazit
Lehre und Bündnisse 88:81–107 entfaltet einen großen heilsgeschichtlichen Bogen: von der persönlichen Berufung zum Zeugnis über kosmische Erschütterungen bis hin zur endgültigen Herrlichkeit der Heiligen. Die wiederkehrenden Bilder aus Offenbarung, Jesaja, Daniel und den Evangelien zeigen, dass das Wiederhergestellte Evangelium im Zentrum eines göttlichen Plans steht, der alt und ewig zugleich ist. Es lädt uns ein, „uns bereit zu machen“ – durch Glauben, Umkehr, Reinheit und Zeugnis. Denn der Bräutigam kommt.
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