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Wie lange noch wird deine Hand sich zurückhalten

  • Autorenbild: manfred.lobstein
    manfred.lobstein
  • vor 1 Tag
  • 5 Min. Lesezeit
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Liberty Jail

(Bild: Quelle)


“Wie lange noch wird deine Hand sich zurückhalten und dein Auge, ja, dein reines Auge, von den ewigen Himmeln her das Unrecht ansehen, das deinem Volk und deinen Dienern widerfährt, und dein Ohr von ihrem Schreien durchdrungen werden?” (Lehre und Bündnisse 121:2). 


Josephs Frage aus dem Gefängnis spiegelt ein Gefühl wider, das viele Gläubige kennen: die Sehnsucht nach einem Zeichen, dass Gott eingreift. Gerade dieser Schrei nach Hilfe wird zum Ausgangspunkt für eine der tröstlichsten Offenbarungen über Leiden, Glauben und göttlichen Trost. 


Lehre und Bündnisse 121 – Historie 


L&B 121 ist ein Text, der seinen Ursprung in einer der härtesten Zeiten der frühen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hat. Er entstand nicht in einer ruhigen Studierstube oder im Kreis der Familie, sondern in einem dunklen, kalten Gefängnis im Winter von 1838/39. Um den geschichtlichen Hintergrund richtig zu verstehen, muss man sich die dramatischen Ereignisse in Missouri in Erinnerung rufen, die zur Inhaftierung des Propheten Joseph Smith führten. 


Seit den frühen 1830er-Jahren hatten die Mitglieder der jungen Kirche im Bundesstaat Missouri versucht, eine bleibende Heimat aufzubauen. Besonders in Jackson County glaubten sie, sich in Zion versammeln zu können, weil dort nach Offenbarungen Joseph Smiths das Neue Jerusalem errichtet werden sollte. Doch von Anfang an waren sie Misstrauen, Argwohn und offener Feindseligkeit der alteingesessenen Siedler ausgesetzt. Religiöse Unterschiede, wirtschaftliche Spannungen und politische Machtfragen führten dazu, dass Konflikte immer häufiger aufflammten. Viele Missourianer fürchteten den wachsenden Einfluss der Heiligen, die als geschlossene Glaubensgemeinschaft stimmten und wirtschaftlich zusammenarbeiteten. 


Bereits 1833 kam es zu ersten gewaltsamen Ausschreitungen in Jackson County, die schließlich zur Vertreibung der Mitglieder aus dem Gebiet führten. Sie siedelten sich in anderen Landkreisen an, unter anderem in Caldwell und Davies County. Doch auch dort wuchsen die Spannungen. In den Jahren 1837 und 1838 traten zudem innere Krisen auf: wirtschaftliche Schwierigkeiten, Abfall von einigen führenden Mitgliedern und wachsender Druck von außen. In dieser Situation wurde das Klima in Missouri immer feindseliger. 


Der Höhepunkt der Verfolgung kam im Herbst 1838. Kleine Scharmützel zwischen Milizen und Heiligen, gegenseitige Drohungen und Übergriffe steigerten sich in eine regelrechte „Mormonen-Krise“. Am 25. Oktober 1838 kam es bei Crooked River zu einem Gefecht, bei dem ein Missourier fiel. Obwohl die Umstände unklar waren, nutzten die Gegner der Kirche dies als Vorwand, die Heiligen der Rebellion und des Aufruhrs zu beschuldigen. Der Gouverneur von Missouri, Lilburn W. Boggs, erließ am 27. Oktober die berüchtigte „Extermination Order“, welche erklärte, die Mormonen müssten aus dem Staat vertrieben oder „vernichtet“ werden. Damit war der staatliche Segen für eine regelrechte Vertreibung gegeben. 


Die Folgen waren verheerend. In Haun’s Mill kam es am 30. Oktober 1838 zu einem Massaker, bei dem 17 Männer und Jungen getötet wurden, darunter Kinder. Frauen und Kinder wurden vertrieben, Häuser und Höfe zerstört. Tausende von Heiligen flohen in bitterer Kälte. Viele verloren ihre gesamte Habe. 


Inmitten dieser Lage wurde Joseph Smith mit einigen anderen Kirchenführern verhaftet. Die Anklagen lauteten auf Hochverrat, Mord und andere schwere Verbrechen – Anklagen, die in Wirklichkeit politische und religiöse Vorwände waren, um die Kirche zu schwächen. Joseph Smith, Hyrum Smith, Lyman Wight, Alexander McRae und Caleb Baldwin wurden im November 1838 nach Liberty im Clay County gebracht und dort inhaftiert. Sidney Rigdon war zunächst ebenfalls verhaftet, wurde jedoch später entlassen. 


Das Gefängnis von Liberty, heute als „Liberty Jail“ bekannt, war ein massives Steingebäude mit dicken Mauern. Die eigentliche Zelle befand sich im unteren Stockwerk, das nur über eine kleine Luke zugänglich war. Die Decke war so niedrig, dass die Männer nicht aufrecht stehen konnten. Im Winter 1838/39 war es bitterkalt, und der Kerker war feucht, dunkel und zugig. Die Nahrung, die die Wärter brachten, war oft verdorben oder kaum essbar. Joseph und seine Mitgefangenen berichteten, dass sie sich nicht sicher sein konnten, ob die Speisen vergiftet waren. Unter diesen Umständen verbrachten sie fast fünf Monate. 


Die Haftzeit in Liberty Jail war für Joseph Smith eine tiefe Prüfung. Er wusste um die Leiden der Heiligen draußen, er sorgte sich um seine Frau Emma und die Kinder, und er musste die ständige Unsicherheit ertragen, ob er jemals freikommen würde. Historiker und Kirchenkommentatoren sprechen oft davon, dass Liberty Jail für Joseph eine Art „Gefängnis-Tempel“ wurde. Denn gerade in der äußersten Erniedrigung empfing er einige der erhabensten Offenbarungen seines Lebens. 


Am 20. März 1839 schrieb Joseph einen langen Brief an die Heiligen, der fast 30 Seiten umfasste. In diesem Brief brachte er seine tiefste Verzweiflung, aber auch Trost und Lehren zum Ausdruck. Er schilderte die Notlage, klagte die Ungerechtigkeit an, und er gab gleichzeitig die Offenbarungen wieder, die er in Gebet und Meditation empfangen hatte. Später wurden ausgewählte Passagen dieses Briefes in die heiligen Schriften aufgenommen und bilden heute die Abschnitte 121, 122 und 123 in Lehre und Bündnisse. 


Damit ist L&B 121 ursprünglich kein klassisches „so spricht der Herr“-Diktat, wie es viele andere Abschnitte sind, sondern ein seelsorgerischer Brief, durchzogen von prophetischer Offenbarung. Diese Entstehungsgeschichte ist von besonderer Bedeutung: Sie zeigt, dass göttliche Offenbarung nicht auf einen engen Rahmen beschränkt ist, sondern mitten im Leben geschehen kann – selbst in einem Gefängnis, in Not und Verzweiflung. 


Joseph und seine Gefährten hielten im Gefängnis auch engen Kontakt zu den Heiligen außerhalb. Emma schrieb ihm Briefe, soweit es möglich war. In einem dieser Briefe schilderte sie ihre Mühen, die Familie durchzubringen, und ihre Angst, die Kinder könnten erfrieren. Diese persönlichen Details geben einen Einblick in die Menschlichkeit des Propheten und seiner Familie. 


Die Haftzeit endete im April 1839. Joseph und die anderen sollten in Boone County vor Gericht gestellt werden. Auf dem Weg dorthin überließen die Wächter den Gefangenen jedoch in der Nacht bewusst eine Möglichkeit zur Flucht. Historiker sehen darin ein Zeichen dafür, dass auch die lokalen Behörden erkannten, wie fragwürdig die Anklagen waren. Joseph konnte so entkommen und zu seiner Familie nach Illinois zurückkehren. Die Heiligen sammelten sich bald in Nauvoo, wo sie in den folgenden Jahren eine neue Stadt errichteten. 


Wenn wir den historischen Hintergrund von L&B 121 betrachten, wird deutlich, dass es sich um Worte handelt, die aus einem Kontext der Verfolgung, des Leids und der Unsicherheit heraus entstanden sind. Und doch sind sie nicht von Bitterkeit geprägt, sondern von einer tiefen Suche nach Gott und von Offenbarungen, die weit über die damalige Situation hinausreichen. Gerade diese Umstände machen den Text so bedeutsam. 


Die Geschichte von Liberty Jail zeigt, dass Gott seine mächtigsten Offenbarungen nicht immer in Zeiten äußerer Ruhe gibt. Oft spricht er in die Dunkelheit hinein, um Trost, Perspektive und Lehren zu schenken. Für Joseph Smith und die frühen Heiligen war Liberty Jail ein Prüfstein des Glaubens – und für uns heute ist es ein Zeugnis dafür, dass selbst im größten Leid göttliches Licht leuchten kann. 

Wie gehe ich in meinen eigenen Prüfungen damit um, wenn es scheint, als würde der Himmel schweigen? 


 
 
 

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